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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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beförderte er ein ungeheures Gewicht aus den Tiefen des Meeres herauf. Als er seine Augen berührte, waren sie von Salzwasser überströmt.
    Zwischentitel: Kein Geist. Schlimmer …
    Joes Arm fiel seitlich an seinen Körper zurück. Undeutlich spürte er, wie er versank, wie das Meer ihn holte. Undeutlich hörte er Madam Seng beruhigende Worte in einer Sprache sagen, die er weder kannte noch kennen wollte. Sie ließ ihn auf das Sofa sacken, schob ihm ein Kissen unter den Kopf, legte seine Füße hoch.
    Zwischentitel: MITTERNACHT .
    Aufblende.
    Szene: Totalaufnahme eines Friedhofs, verdrehte Bäume, kahl. Dahinter ein Mausoleum.
    Joe fielen die Augen zu, der Stummfilm zog sich ins Nichts zurück, nahm die Opiumhöhle mit.
    Ausblendung.

Zu Hause ist es doch am schönsten
    Er stand am Piccadilly Circus, und mit den Autos stimmte etwas nicht. Sie waren wie Spielzeugautos, wie so Dinger, die mit Batterien liefen. Die Anteros-Statue mit ihrem Pfeil und Bogen schaute immer noch herab. Es waren immer noch Touristen auf dem Circus, aber auch sie sahen falsch aus. Seltsame Haarschnitte. T-Shirts mit Werbung für Marken, von denen er noch nie gehört hatte, Gap und FCUK und etwas namens Metallica. Ein Typ mit langen Haaren, verwaschenen Jeans und großer verspiegelter Sonnenbrille klimperte auf einer Gitarre und sang mit durchdringender Stimme von der Vorstellung, dass alle Menschen ein Leben in Frieden leben.
    Die Luftverschmutzung war schlimmer.
    Er hob den Blick, und die Werbeschilder gegenüber waren Leuchtreklamen, und die Bilder bewegten sich unglaublich, und der einzige Name, den er erkennen konnte, war Coca-Cola.
    Samsung. Sanyo. Japanische Namen, aber keine, von denen er schon gehört hatte.
    Die Leute hatten weiße Drähte von den Ohren herabhängen.
    Er überquerte die Straße in dem Glauben, zu seinem Hotel zu gehen, doch das Regent Palace war eingerüstet, seine Fenster leer. Er ging die Shaftesbury Avenue hinunter und nach Soho hinein und sah Dinge, die sich wie die Schnäbel von Kränen hoch über den Straßen langsam drehten, Glaslinsen, die funkelten, wenn sie das Licht einfingen, während sie sich, wie auf Beutesuche, hierhin und dorthin bewegten. In der Old Compton Street gab es Läden, die für Pornofilme warben, aber Sexkinos gab es keine. Hunderte von Titeln lagen in den Schaufenstern. Männer und Frauen, Frauen und Frauen, Männer und Männer. Die Frauen hatten Brüste, die aussahen, als wären sie aus der Zukunft gekommen, so groß und unmöglich wie Raumschiffe.
    Ein großes Plakat an der Ecke, ein gewaltiges graues Auge, das auf die Straße herabblickte, eine Bildunterschrift: You are watching Big Brother.
    Müsste das nicht umgekehrt sein?
    Er ging wieder zurück zur Shaftesbury Avenue. Unterwegs kam er an einer Gruppe stiller Tänzer vorbei: Sie hatten sich an der Straßenecke versammelt und tanzten jetzt ohne Ton, ohne Ordnung. Sie alle hatten dieselben weißen Drähte aus den Ohren hängen. Ein Mann im Anzug spielte eine stumme Luftgitarre. Als Joe zur Shaftesbury Avenue kam, sah er einen Doppeldeckerbus, doch auch der war falsch, ohne Stange und offene Plattform hinten, Einstieg nur durch die vordere Tür, und die war geschlossen, und der Bus hielt nicht an. Joe überquerte die Straße nach Chinatown. Kein Edwin Drood, keine Madam Seng, nur eine Reihe Chinarestaurants, rote nackte Enten an Haken in den Fenstern. Von dort ging er die Little Newport hinunter in die Charing Cross Road. Die Buchhandlungen waren noch da, doch die Namen erkannte er nicht wieder. Die Oxford Street hinauf, zum dritten Mal stieß er auf die Shaftesbury Avenue. Große, mehrstöckige Buchhandlungen, aber Foyle’s war noch da, wenigstens ein Name, den er kannte. Er ging hinein. Zu seiner Rechten stand ein Tresen mit dem Schriftzug: Information .
    »Haben Sie irgendwelche Mike-Longshott-Bücher?«
    »Wie bitte?«
    »Osama bin Laden?«
    Der Mann hinterm Tresen hatte so etwas wie einen Fernsehbildschirm und ein Plastikding mit Tasten vor sich. Die Stirn runzelnd, tippte er darauf. »Wir haben einige«, sagte er. »Ich drucke Ihnen eine Liste aus.«
    Nachdem er weitere Tasten gedrückt hatte, begann neben seinem Fernsehbildschirm ein kleiner Kasten zu summen, und aus seinem Inneren rutschte ein Blatt Papier, das der Mann Joe gab. Joe starrte das bedruckte Papier an. »Was ist das?«, sagte er.
    Der Mann würdigte ihn kaum eines Blickes. »Wonach Sie verlangt haben«, sagte er.
    »Aber das ist ganz falsch.«
    »Die

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