Osama (German Edition)
der Schwebe, und obwohl er an ihnen zog und zappelte und wütete, zersprangen sie nicht. Dann gab es mehr und mehr Grauphasen, Flecken von nichts, die an seiner Welt nagten, größer wurden, länger anhielten, Zeiten, in denen er nirgendwo und nichts war, doch selbst diese gingen schließlich vorbei, und die Welt schrumpfte, und der Schmerz war wieder da, erst nur leicht, aber stetig wachsend, während die Welt um ihn herum und über seinem Gesicht schrumpfte. Es roch nach dunklem Arabica.
Klare und gegenwärtige Gefahr
Licht schmerzte in seinen Augen. Der Raum schien sich um ihn herum zu bewegen, stand nicht still. Er versuchte, eine bestimmte Stelle zu fixieren, doch sobald er das tat, rotierte der Raum gegen den Uhrzeigersinn von dort weg. Seine Hände fühlten sich sehr leicht an. Sie hoben sich von selbst. »Gebt ihm einen Augenblick«, sagte der Mann mit den grauen Haaren. Joe versuchte, sich auf ihn zu konzentrieren, doch der Mann drehte sich mit dem Raum weg. Vielleicht befanden sie sich in einem dieser Drehrestaurants, dachte Joe. Allerdings gab es hier keine Fenster, und keine Tische, und keine Gäste, und die Wände waren mit fantastischen rostfarbenen Formen befleckt. Neben ihm stand ein Paar Schuhe, poliert, passend zu einer dunklen Hose mit Bügelfalte. Er neigte sich ihnen zu.
»Verdammter …« Er hörte jemanden rufen, spürte, wie etwas Hartes auf seinen Hinterkopf traf. Wieder Schmerz, aber er konnte nichts anderes tun, als den Mund weiter aufzumachen, und während das Blut wie eine Urwaldtrommel in seinem Kopf pochte, spuckte er einen dünnen Strahl stinkendes Wasser auf den Boden. Er hörte das Glucksen des grauhaarigen Mannes, sah einen schwarzen Schuh fortgehen und dabei Fußspuren aus Erbrochenem hinterlassen. »In einer Minute wird es Ihnen besser gehen«, sagte der Grauhaarige. Joe hatte da seine Zweifel. Er würgte trocken; es war nichts mehr zum Spucken da.
»Rechts von Ihnen ist ein Waschbecken«, sagte der Mann. Joe drehte den Kopf, blinzelte den Schweiß weg. Allmählich sahen seine Augen klar. Es gab eine Toilettenöffnung und ein Waschbecken aus Beton, beide mit denselben Rostflecken verziert. Er rappelte sich hoch, taumelte, ignorierte das »Ganz ruhig jetzt« des Mannes und schleppte sich zu dem Waschbecken. Das Wasser schmeckte kühl. Der Kontakt mit seinem Gesicht tat weh, aber nur für einen Moment. Einen Spiegel gab es nicht. Was er nicht bedauerte. Der Druck auf seine Blase stellte sich erneut ein, um ein Vielfaches verstärkt. Plötzlich erschien ihm nichts auf der Welt wichtiger. Seine Hände zitterten, als er …
»Ist es nicht schön, wenn der Druck nachlässt?«, sagte der Mann mit den grauen Haaren.
Joe beachtete ihn nicht. Er fühlte sich immer noch von seinem Körper getrennt, auch wenn der Eindruck langsam schwand. Es war, wie wenn man einen Anzug anzog, der eine Zeitlang im Schrank gehangen hatte. Erst nach einer Weile fiel einem das nicht mehr auf. Als er fertig war, wusch er sich noch einmal das Gesicht. Er hatte einen metallischen Geschmack im Mund. Beide Hände auf das Becken gestützt, drehte er den Kopf und sah den Mann vom KGG an.
Zwischen ihnen herrschte Stille, wie zwischen zwei Schachspielern vor einem Schach. Vielleicht auch einem Schachmatt. Joe war sich nicht ganz sicher. Er fühlte sich ziemlich ramponiert. Er glaubte nicht, dass Schachspieler sich üblicherweise gegenseitig entführten und unter Drogen setzten. Bei genauerem Nachdenken erschien Schach ihm als eine lausige Metapher. Dennoch dauerte die Stille an. Sie hing in der Luft wie ein empfindlicher, aus Papier, Kleber und Hoffnung zusammengesetzter Drachen, bei dem schon ein winziger Lufthauch genügte, um ihn zu zerstören und zu Boden taumeln zu lassen. Es erschien jammerschade, sie durch Worte zu zerstören.
»Zigarette?«, sagte der Mann vom KGG und hielt ihm eine Schachtel hin.
Joe schüttelte den Kopf, obwohl ihm von der Bewegung schlecht wurde. »Ich hab aufgehört«, sagte er. Der Mann zuckte die Achseln und steckte die Schachtel wieder ein. Joe stand auf, streckte sich langsam. Schmerzen wechselten sich mit Taubheit ab, sein Körper war eine schachbrettartige Landkarte aus gegensätzlichen Zuständen. Er klopfte sich ab, fand ein zerdrücktes Päckchen Zigaretten und sein Feuerzeug. Schüttelte eine heraus, steckte sie sich in den Mund, zündete sie an.
»Ich dachte …«, sagte der grauhaarige Mann.
»Hab meine Meinung geändert.« Er stieß Rauch aus. Ein Lächeln verschwand
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