Osiris Ritual
heraus
und hielt sie ins Licht.
Â
Newbury,
Sie werden umgehend im Palast erwartet.
Victoria Regina
Â
Er drehte die Karte um und lächelte. Vielleicht würde er
jetzt ein wenig mehr über »Caspian« erfahren und herausfinden, warum der Mann
am vergangenen Tag nicht wie verabredet im Bahnhof erschienen war. Miss Hobbes
würde wohl noch eine Weile auf ihn warten müssen. Er legte die Karte neben dem
Brieföffner auf den Sekretär, lieà sich noch einen Moment Zeit, um zu sich zu kommen,
nahm Mantel und Hut vom Ständer im Flur und machte sich auf den Weg zu seiner
Arbeitgeberin, Ihrer Majestät der Königin.
»Nun, Newbury?«
Ihre Majestät hatte ihn nicht lange warten lassen. Er war mit der
Droschke geradewegs zum Buckingham Palace gefahren, und zwar mit einem der
lauten, aber schnellen dampfbetriebenen Fahrzeuge, die Veronica so sehr
verabscheute. Sandford, der alte Butler, der sich um die kleine Truppe der
Agenten Ihrer Majestät kümmerte, hatte Newbury am Seiteneingang empfangen und
hereingebeten, ihm Mantel und Hut abgenommen und ihn eilig durch den Geheimgang
zum Audienzzimmer Ihrer Majestät geführt.
Nun stand Newbury vor der Monarchin und versuchte, sie im Zwielicht
des abgedunkelten Raums zu erkennen. Wie üblich saà sie auf ihrem
lebenserhaltenden Stuhl, die Pumpen und Blasebalge zischten hörbar, während sie
Luft in die Lungen drückten, den Brustkorb hoben und senkten und sie zum Atmen
zwangen, um künstlich ihr Leben zu verlängern. Von Beuteln voller seltsamer
Flüssigkeiten, die über ihr an einem Metallrahmen befestigt waren, liefen
Schläuche herab und beförderten eine Salzlösung sowie andere, ausgefallenere
Flüssigkeiten in ihren Blutkreislauf. Auf ihrem Oberkörper lag ein schwarzes
Seidentuch, doch Newbury konnte genau erkennen, wo die Röhren von den Behältern
hinter ihrem Stuhl nach vorn kamen, unter den Armen verschwanden und in ihren
Oberkörper mündeten. Victoria beherrschte die halbe Welt und war offensichtlich
nicht bereit, ihre Position kampflos aufzugeben. Wenigstens nicht, solange sie
über die wundervollen Maschinen des Dr. Fabian verfügte, die sie unendlich
lange am Leben halten konnten.
Keuchend und heiser sprach sie weiter. »Wo ist unser Mann, Newbury?« Sie sah ihn vorwurfsvoll an.
Newbury holte tief Luft. »Euer Majestät, ich war wie verabredet am
Treffpunkt. Der Agent mit dem Decknamen Caspian war jedoch nicht im
vereinbarten Abteil und hat sich mir auch nicht auf dem Bahnsteig genähert. Ich
konnte nur noch feststellen, dass die Person, die das Abteil 3 B benutzt hat, ein Objekt oder ein Wesen bei sich hatte,
das unverkennbar nach Aas roch.«
Victoria zog eine Augenbraue hoch und rollte ihren Stuhl weiter nach
vorn. Die Holzräder knarrten auf dem Marmorboden. Vor Anstrengung zitterten
ihre Hände. »Newbury, wir wollen Ihnen eines mit allem Nachdruck erklären. Sie
müssen diesen Mann namens Caspian auftreiben und umgehend zum Palast bringen.«
Newbury gab sich Mühe, seine Frustration zu verbergen. »Wie Sie
wünschen, Majestät. Ich fürchte jedoch, ich benötige noch einige Einzelheiten,
um das zu vollbringen â¦Â«
Victoria stieà ein gurgelndes, abgehacktes Lachen aus. »Nun gut.«
Sie wurde wieder ernst. »Das ist ein schwieriger Auftrag, Newbury. Er könnte
Konsequenzen für Sie persönlich, aber auch für die Krone haben.«
»Wie ist das zu verstehen?«
»Das wird Ihnen sicher noch klar werden, sobald Sie Fortschritte
machen. Im Moment müssen Sie nur wissen, dass der Mann, den Sie suchen, früher
ein Agent war und den Namen William Ashford trug.«
Newbury runzelte die Stirn. »Ashford? Ich dachte, er sei schon vor
Jahren gestorben, lange bevor ich in den Dienst eingetreten bin. Ich habe
einige Geschichten über den Mann gehört.«
Victoria machte eine Bewegung, die offenbar ein Achselzucken sein
sollte. Ihre Maschinerie stöhnte kurz auf. »Es ist schon lange her, Newbury.
Ashford wurde tatsächlich vor fünf Jahren getötet. In gewisser Weise
jedenfalls. Allerdings hat Dr. Fabian ihn als eine Art Waffe wiederaufgebaut,
die sich jedoch als stumpf erwies. Er lebte verdeckt in Sankt Petersburg und
ist jetzt aus irgendeinem Grund und unseren Anweisungen zuwider hierher
gereist. Ein anderer Agent in Russland konnte uns kurz vor seiner
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