Osiris Ritual
Rückkehr
warnen.«
»Dann ist Ashford fahnenï¬Ã¼chtig? Würde er es denn riskieren, nach
London zu kommen? Und warum hat er diese weite Reise mit dem Zug und nicht mit
dem Luftschiff gemacht?«
»Ashford ist kein Mensch mehr, Newbury. Nicht in dem Sinne, wie Sie
es auffassen würden. Er ist eine Anomalie, weder lebend noch tot, sondern irgendwo
dazwischen gefangen, und voller Rachsucht. Sein Gefühl von dem, was Recht und
Unrecht ist, entspricht nicht länger dem unseren. Wir glauben, er ist
hergekommen, um sich an denen zu rächen, die für seinen Niedergang
verantwortlich sind. Er reist nur über Land und See, weil die Höhe, in der die
Luftschiffe ï¬iegen, das Funktionieren der Maschinen beeinträchtigt, die ihn am
Leben erhalten.« Sie hielt inne und fing Newburys
Blick ein. »Sie müssen diese Anomalie finden und unter Kontrolle bringen,
Newbury. So etwas darf sich nicht frei in der Hauptstadt herumtreiben.«
»Selbstverständlich, Euer Majestät. Selbstverständlich. Ich werde
mich sofort darum kümmern.«
»Tun Sie das. Lassen Sie alles andere stehen und liegen. Ashford
muss fortan Ihr wichtigster Gedanke sein.«
Newbury nickte. »Da wäre nur noch eines, Majestät, mit dem ich Sie
behelligen möchte.«
Victoria nickte gnädig, und er fuhr fort.
»Ein junger Mann namens George Purefoy. Er arbeitet als Reporter für
die Times . Meiner Ansicht nach verdient er unsere
Aufmerksamkeit. Er könnte eines Tages ein ausgezeichneter Agent werden.«
Victoria hob abwehrend die Hand. »Später, Newbury, später. Wenn die
Sache mit Ashford beigelegt ist, bleibt noch genug Zeit, einen jungen Lehrling
unter Ihre Fittiche zu nehmen. Zunächst einmal sollten Sie sich unbedingt um
Ihre Aufgabe kümmern. Machen Sie sich gleich an die Arbeit.«
Newbury sah der Queen nach, die mit ihrem seltsamen mechanischen
Stuhl rückwärtsrollte und langsam von der Dunkelheit verschluckt wurde. Er wandte
sich zum Gehen.
»Oh, und was die kleine Hobbes angeht â¦Â«, rief ihm die Königin aus
dem Schatten hinterher.
Er drehte sich um, doch Victoria kam nicht wieder zum Vorschein. »Veronica?«
»Nein, die jüngere. Wir haben Ihre Bitte in Betracht gezogen und
beschlossen, sie zu erfüllen. Sie wird in eine andere Einrichtung verlegt. Die
weiteren Angaben werden folgen. Wir schlagen vor, dass Sie der Familie noch
nichts sagen, solange es noch nicht geschehen ist.«
Newbury lächelte. »Vielen Dank, Euer Majestät. Das ist eine
ausgezeichnete Neuigkeit.«
Victorias zischelndes Lachen hallte durch den groÃen, dunklen Raum.
»Wir tun, was nötig ist, und das sollten Sie auch tun, Sir Newbury.« Sie hustete. »Jetzt gehen Sie und kümmern Sie sich um Ashford.«
»Wie Sie wünschen.«
Newbury trat durch die Tür in den Geheimgang, um zu Sandford, zum
Wartezimmer und in den kalten Londoner Morgen zurückzukehren.
Ihre Majestät hatte ihm ein wenig mehr gegeben, mit dem er arbeiten
konnte, aber Newbury hatte immer noch den Eindruck, höchstens die Hälfte der
Geschichte zu kennen. Wenn er mehr über Ashford herausfinden wollte, musste er
sich rasch an die Arbeit machen. Nicht nur das, Victorias Bemerkung, Newburys
persönliches Schicksal hänge mit dem Auftrag zusammen, beunruhigte ihn
erheblich. Er hatte keine Ahnung, warum ein Agent, der fünf Jahre zuvor
gestorben war, irgendetwas mit ihm zu tun haben sollte, und welcher Art die »Auswirkungen«
sein mochten, die sie erwähnt hatte. Allerdings kannte er jemanden, der
möglicherweise Bescheid wusste: Sir Charles Bainbridge. Charles hatte viele,
viele Jahre lang als Agent gedient und konnte sich
gewiss an Ashford erinnern. Vielleicht hatte er sogar bei früheren Einsätzen
mit ihm zusammengearbeitet. Ob er die Wahrheit wusste oder ob man ihn, genau
wie Newbury, in dem Glauben gewiegt hatte, Ashford sei tot, konnte Newbury
nicht wissen. Das lieà sich jedoch rasch herausfinden. Er wollte direkt zu
Scotland Yard fahren und mit Charles sprechen. Das war momentan die einzige
Spur, die er hatte.
7
»Ashford, sagen Sie? Es ist lange her, dass ich diesen
Namen das letzte Mal gehört habe.« Sir Charles Bainbridge,
Chief Inspector bei Scotland Yard, schob nervös einige Papiere auf dem
Schreibtisch hin und her. Er war etwas über fünfzig und damit älter als
Newbury, an den Schläfen ergraut und
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