Osiris Ritual
mit einem groÃen, buschigen Schnurrbart
ausgestattet. Er trug einen grauen Anzug, ein weiÃes Hemd mit gestärktem Kragen
und eine schwarze Krawatte. Newbury saà ihm schräg gegenüber und beobachtete das verlegene Gefummel des Kriminalbeamten. »Warum fragen
Sie nach ihm?«
Newbury knetete sich nachdenklich das Kinn. Er hatte sich noch nicht
zurechtgelegt, wie er die Sache darstellen wollte. »Ihre Majestät hat mich
gebeten, ihn zu suchen.«
Bainbridge lieà den Stapel Papiere fallen, den er gerade hochgehoben
hatte, und erwiderte Newburys Blick. Dann setzte er sich hinter den
Schreibtisch. »Newbury, William Ashford ist seit mehr als fünf Jahren tot. Was
um alles in der Welt haben Sie sich da aufgehalst?«
Bainbridge war über Ashfords bemerkenswertes zweites Leben offenbar
nicht im Bilde. »In der Tat. Das ist anscheinend das, was bislang allgemein
bekannt war. Wie es nun scheint, steckt hinter Ashfords Tod wohl doch etwas
mehr als das, was man gemeinhin zu wissen glaubt.«
Bainbridge verstand es nicht. »Nun hören Sie auf, so geheimnisvoll
zu tun, und kommen Sie zur Sache, Newbury.«
»Sie zuerst. Was können Sie mir über Ashford erzählen? Was für ein
Mann war er, und wie ist er gestorben?«
Bainbridge lehnte sich zurück. »Er war ein guter Mann, so viel kann
ich sagen. Ich kannte ihn recht gut. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder, einen
Jungen und ein Mädchen, wenn ich mich recht entsinne. Er war ein guter Agent
und tat, was nötig war. Immer lag ihm das Wohlergehen des Empire am Herzen.«
Newbury nickte und blickte aus dem Fenster. Unten im Hof rüsteten
einige Uniformierte ein Polizeifahrzeug auf. Er wandte sich wieder an Charles.
»Wie ist er denn gestorben?«
»Das war eine hässliche Sache, an die ich mich gar nicht gern
erinnere, Newbury.«
Der Agent runzelte die Stirn. Es war ungewöhnlich, dass Bainbridge
so zurückhaltend war. »Nun kommen Sie schon, Charles! Es ist sehr wichtig.« Ungeduldig schlug er mit der Faust auf den Schreibtisch.
Bainbridge seufzte und beugte sich wieder vor. »Was wissen Sie über
Dr. Aubrey Knox?«
»Nicht viel. Ein ehemaliger Agent, der ungefähr zu der gleichen Zeit
wie Ashford im Einsatz gefallen ist. Viel mehr als das wurde nie bekannt.«
»Nun ja, dafür gibt es einen guten Grund.«
»Fahren Sie fort.«
»Knox war ein Genie. Ein brillanter Mann, der wie Sie von den
okkulten Wissenschaften fasziniert war. Er war eine Zierde für den geheimen
Kreis Ihrer Majestät. Im Laufe von mehr als zehn Jahren hatte er sich immer
wieder als verlässlicher, treuer Untertan erwiesen, und seine Leistungen im
Dienst waren makellos. Er übernahm ganz ähnliche Aufträge wie Sie heute: alles,
was seltsam, psychologisch, paranormal oder übernatürlich schien. Er besaà ein
umfassendes Wissen, das im ganzen Empire seinesgleichen suchte, und strebte
doch nicht nach persönlichem Ruhm. In vieler Hinsicht war er der perfekte Agent â brillant, aber zurückhaltend, effektiv und ohne Dünkel.«
»Was ist aus ihm geworden? Hat es mit Ashford zu tun?«
Bainbridge nickte. »Es war im Jahre achtzehnhundertsechsundneunzig,
wie ich glaube, im Juni. Ein Einsatz ging schief. Die Einzelheiten sind mir
nicht bekannt, aber irgendetwas ist passiert, obwohl es allem Anschein nach ein
leichter Auftrag war. Jedenfalls kam Ihrer Majestät hinterher zu Ohren, dass
Knox ganz eigene Interessen verfolgt hatte. Er war vom Okkulten besessen. Man
schickte Agenten zu seinem Labor in Ladbroke Grove. Sie entdeckten, dass er mit
menschlichen Versuchsobjekten experimentiert hatte: verwahrloste Kinder, Huren,
Arme. Niemand wusste, was er beabsichtigte, doch alle waren entsetzt. Sie
hätten das Haus sehen sollen, Newbury. Es hat sich mir unauslöschlich ins
Gedächtnis gebrannt. Was er dort getan hat ⦠dafür sollte er bis in alle
Ewigkeit in der Hölle schmoren. Also hat man einen Haftbefehl ausgestellt.
Ashford übernahm den Fall, er sollte Knox um jeden Preis dingfest machen.« Bainbridge hielt inne und stand auf, ging quer durch den Raum
und nahm zwei Cognacschwenker aus einem Regal neben der Tür. Dann griff er in
einen Schrank und holte eine Dekantierï¬asche aus durchsichtigem Glas hervor,
zog den Stöpsel ab und füllte einen ordentlichen Schuss Weinbrand in die beiden
Gläser. SchlieÃlich kehrte er zu seinem
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