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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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der
Dunkelheit den Unwissenden und Unvorsichtigen auf. In der letzten Zeit stammten
einige auch aus den mit Dampfkraft getriebenen Manufakturen der Menschen
selbst.
    Newbury schauderte und lachte über sich selbst, weil ihm derart die Pferde durchgingen. Es war doch klar, dass
das Opium immer noch seine Gedanken trübte, und zwar viel stärker, als er es
für möglich gehalten hätte. Er war nicht daran gewöhnt, die Droge auf diese
Weise und in diesen Mengen zu sich zu nehmen, und hatte die Wirkung
unterschätzt. Schließlich holte er tief Luft, um wieder zu sich zu kommen. Die Welt hatte eine traumhafte Qualität, als nähme er sie
durch einen dichten Schleier wahr, der dem Londoner Nebel ähnelte. Eigentlich
genoss er dieses Gefühl, den Kontrollverlust, aber er wusste auch, wie
gefährlich es für einen Mann in seiner Position war. Zugleich hoffte er, dass
Charles beim Abendessen nicht bemerken würde, in welcher Verfassung er sich
befand.
    Wieder hörte er hinter sich ein Geräusch, dieses Mal über die rechte
Schulter. Vorsichtshalber ging er weiter und ließ sich nichts anmerken. Jetzt
war er sicher, dass es sich nicht um eine Sinnestäuschung handelte. Er hatte
eindeutig die Sohle eines Stiefels über das Pflaster scharren gehört. Links von
ihm befand sich das dunkle Geschäft eines Kürschners, dessen Schaufensterpuppen
mit allen möglichen Pelzmänteln, Hüten, Halstüchern und so weiter bekleidet
waren. Langsam näherte er sich dem Laden und tat so, als interessierte er sich
für die Auslagen. Dabei betrachtete er sein Spiegelbild im Glas. Er wirkte
bleich und ausgezehrt und hatte dunkle Ringe unter den Augen.
    Newbury beobachtete einen Moment die Umgebung und suchte nach
Anzeichen der Person, die ihm folgte. Und richtig, gleich darauf bemerkte er in
der gespiegelten Straßenszene eine Bewegung. Ein großer, kräftiger Kerl,
weitaus stärker als der Durchschnitt, das Gesicht unter einer wenig
vertrauenerweckenden Kapuze verborgen. Der Mann trug einen dicken schwarzen
Mantel. Rasch fuhr Newbury herum, um den Verfolger zu überrumpeln, doch genau
wie zuvor gab es nichts zu sehen. Allerdings hörte er Schritte, die sich von
ihm entfernten. Wer ihm auch gefolgt war, hatte offenbar bemerkt, dass Newbury
misstrauisch geworden war, und wollte sich nicht zu erkennen geben.
    Der Agent überlegte kurz, ob er die Verfolgung aufnehmen sollte,
doch er wusste nur zu gut, dass er einem Kampf nicht gewachsen wäre. Außerdem
musste er quer durch die Stadt fahren und sich mit Charles treffen. Diese neue
Entwicklung änderte die Lage allerdings erheblich und hatte auch Einfluss auf
den Plan, den er sich zurechtgelegt hatte. Vielleicht musste er gar nicht mehr
William Ashford nachstellen, weil Ashford längst hinter ihm her war.
    Er musste unbedingt einen klaren Kopf bekommen.
    Langsam ging Newbury in die Richtung weiter, in die sich die
Schritte entfernt hatten. Hoffentlich lauerte Ashford – sofern er es
tatsächlich war – ihm nicht irgendwo im Dunkeln auf, um ihn anzufallen, während
er auf wackligen Beinen zum Piccadilly Circus schlurfte. Er verzichtete darauf,
die Hände in die Manteltaschen zu stecken, weil er im Notfall jederzeit
kampfbereit sein wollte.
    Nach ein paar Hundert Schritten entspannte Newbury sich. Die
geheimnisvolle Gestalt hatte offenbar das Weite gesucht, nachdem er sie im
Schaufenster bemerkt hatte. In der schneidenden Kälte wurden ihm allmählich die
Finger taub. Er hatte es zwar nicht mehr weit bis zum Piccadilly Circus,
trotzdem beschloss er, bei nächster Gelegenheit eine Droschke anzuhalten. Ein
Stück voraus entdeckte er eine große Kreuzung. Die Durchgangsstraße war voller
Menschen und Fahrzeuge, so viel konnte er bereits aus der Ferne erkennen. Er
beschleunigte seine Schritte. Dort an der Kreuzung würde er gewiss eine
Fahrgelegenheit finden.
    Ãœber ihn glitt ein Schatten hinweg. Newbury blickte hinauf und sah
den dunklen Bauch eines Luftschiffs, das niedrig über die Stadt flog. Backbord
hing eine vergessene Strickleiter herab. Er blickte dem Schiff nach, wie es
träge über die Häuser schwebte. Das Brummen der Maschinen bildete einen
Kontrapunkt zu dem schrillen Heulen des Windes. Als er den Blick wieder auf die
Straße richtete, erschrak er.
    Die Gestalt stand etwa dreißig Schritte vor ihm an der Ecke und
beobachtete ihn unverwandt. Immer noch war

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