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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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das Gesicht unter der breiten,
dunklen Kapuze des Mantels verborgen. Der schwarze Stoff flatterte im Wind und
wallte um die Beine. Unter der Kapuze, irgendwo in dem dunklen Loch, in dem
sich das Gesicht der Person verbarg, flimmerte ein kleines bläuliches Licht wie
ein blinzelndes Auge. Es war bedrohlich anzusehen, Newbury lief es kalt den
Rücken hinunter. Sonst konnte der Agent aus der Entfernung nicht viel erkennen,
wenn man davon absah, dass der Mann – nach Größe und Breite konnte es nur ein
Mann sein – schwarze Lederstiefel und passende Handschuhe trug.
    Newbury rannte los, direkt auf die einsame Gestalt zu, den Kopf im
schneidenden Wind gesenkt. Der Mann blieb reglos und stumm stehen und sah zu,
wie Newbury ohne klare Strategie auf ihn zustürmte. In seinem gegenwärtigen
Zustand konnte er nicht viel ausrichten, falls Ashford es tatsächlich auf einen
Kampf ankommen ließ, doch er konnte sich die Gelegenheit, den Abtrünnigen zu
schnappen und die Angelegenheit zu einem raschen Abschluss zu bringen, nicht entgehen
lassen.
    Keuchend warf er sich auf die Gestalt mit der Kapuze, um mit ihr zu
ringen, doch sie wich im letzten Moment aus und verschwand hinter der
Straßenecke. Newbury stützte sich an der Mauer ab, weil er sonst gestürzt wäre.
Schwer atmend lehnte er sich an die Ziegel und spähte um die Ecke.
    Seltsamerweise war der Mann verschwunden.
    Verwirrt blickte Newbury hin und her und suchte den Fluchtweg, auf
dem Ashford entkommen war. Es gab keine Gassen oder Türen, in die er hätte
springen können. Keine Leitern und Fahrzeuge, die ihm bei der Flucht hätten
helfen können. Nur einige trostlose Läden und Wände aus rotem Ziegel. Er
blickte nach oben zum bleiernen Himmel, doch auch auf den benachbarten Gebäuden
war keine Spur von Ashford zu entdecken. Er war also auch nicht die Wände
hochgeklettert. Der Mann war ganz einfach verschwunden.
    Keuchend und halb gelähmt vom Opiumkonsum lehnte sich Newbury an die
Wand und wartete, bis er wieder zu Atem kam. In der Luft hing ein fauler, übler
Verwesungsgeruch, der ihn angewidert würgen ließ. Die Galle stieg ihm im Hals
empor. Diesen Geruch kannte er, ein Irrtum war ausgeschlossen. Der Mann mit dem
Kapuzenmantel war eindeutig der Gesuchte. Es musste Ashford sein.
    Newbury sah sich frustriert um. Waren die Leute auf einmal fähig,
sich in Luft aufzulösen? Oder war Ashford einfach nur gut zu Fuß, und Newbury hatte,
desorientiert und von Täuschungen heimgesucht, nicht die Geistesgegenwart
besessen, um mitzuhalten? Eines war jedenfalls sicher. Entweder spielte Ashford
mit ihm, oder er wollte ihm etwas mitteilen. Wie auch immer, das Endergebnis
war unausweichlich. Beim nächsten Mal würde Newbury bereit sein.
    Seufzend stieß er sich von der Mauer ab und blickte auf die
Taschenuhr. Schon viel zu spät für die Verabredung mit Charles. Er blickte zur
Straße. Eine Droschke klapperte gemächlich in seine Richtung. Sofort trat er
auf die Fahrbahn und winkte, um sie anzuhalten. Er musste den White Friar’s
Club erreichen, bevor Charles ihn wieder verließ. Sie hatten viel zu besprechen.

11
    Â»Sie sind aber spät dran.«
Bainbridges Schnurrbart zuckte, als Newbury vor seinen Tisch trat. Dazu machte
er ein strenges Gesicht. »Wir haben es Foster zu verdanken, dass
ich überhaupt hier warten durfte.« Er deutete auf den Butler, der mit undurchdringlicher
Miene neben der Tür stand. »Ich bin ja hier kein Mitglied. Ich wünschte nur,
Sie wären so vorausschauend gewesen …«
    Â»Nicht jetzt, Charles.«
    Bainbridge runzelte die Stirn. »Was meinen Sie damit? Was haben Sie
überhaupt getrieben, Mann?« Er senkte die Stimme,
damit niemand lauschen konnte. »Ihrem Aussehen nach haben Sie sich wieder
einmal Ihrem verdammten Laster hingegeben. Das ist ein schändliches Geschäft,
Newbury. Sie sehen schrecklich aus.« Er verschränkte
die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück, um Newburys Gesicht zu
betrachten und auf eine Antwort zu warten.
    Der Agent tat die Bemerkung jedoch mit einer Geste ab und ließ sich
dem Freund gegenüber auf einen Stuhl fallen. Seine Antwort klang resigniert. »Heben
Sie sich die Moralpredigt für einen anderen Tag auf, Charles. Ich entschuldige
mich für die Verspätung.« Er blickte auf und machte
einen Kellner auf sich aufmerksam. Der Mann kam lächelnd an ihren Tisch

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