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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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und
nahm die Bestellung der Getränke auf. »Das Übliche bitte, Williams.« Er betrachtete Bainbridges leeres Glas. »Und das, was Sir
Charles trinkt.«
    Der Kellner nickte höflich. »Sehr wohl, Sir.«
Er zog sich zur Theke zurück, um die Bestellung weiterzugeben.
    Das White Friar’s war ein Herrenclub in der Arundel Street und
Newburys zweites Heim. Hier kam er oft her, um sich mit Kollegen und Freunden
zu besprechen oder etwas zu essen und dem Druck des Lebens als Agent der Krone
vorübergehend zu entfliehen. Der Club war die Heimstatt vieler Literaten,
Künstler und Intellektueller. Häufig verließ Newbury die Räume belebt, was
ebenso den anregenden Gesprächen wie der ausgezeichneten Auswahl an Weinbrand
geschuldet war. Das Speisezimmer, in dem er Charles vorgefunden hatte, war ein
kleiner, mit dunkler Eiche polierter Raum mit mehreren runden Tischen, an denen
jeweils fünf oder sechs Gäste sitzen konnten. Hinten im Raum toste ein Feuer im
Kamin und warf Schatten, die auf allen Oberflächen tanzten wie übermütige Elfen.
Die im benachbarten Salon gedämpft geführten Gespräche drangen als beständiges
Summen herüber. Aus der Küche wehte der köstliche Geruch von bratendem Fleisch
herein. Eine kleine Armee von Kellnern und Dienern behielt die Gäste genau im
Auge, um ihnen auf der Stelle jeden Wunsch zu erfüllen.
    An diesem Abend war es ruhig. Abgesehen von Charles und Newbury
befanden sich nur noch zwei weitere Gäste im Esszimmer. Sie hockten an einem
Tisch in der Ecke und waren in eine philosophische Debatte vertieft, oder
jedenfalls stellte Newbury es sich so vor.
    Er strich sich mit der Hand über das Gesicht. Allmählich klang der
Opiumrausch ab. Mit verhangenen Augen blickte er Bainbridge an.
    Der Inspektor beugte sich vor und spielte mit der Gabel. »Newbury«,
sagte er energisch, »Sie sind der einzige Freund, den ich in dieser
gottverdammten Stadt noch habe. Ich will Sie nicht verlieren. Nicht an so etwas
Lächerliches wie dieses schreckliche chinesische Kraut.«
    Newbury lächelte traurig und wissend, dann starrte er ins Feuer. Als
er endlich sprach, wich er dem Blick seines Freundes aus. »Was trinken Sie da?«
    Bainbridge seufzte. »Einen halbwegs brauchbaren Cognac. Allerdings
schreit mein Magen nach fester Nahrung. Lassen Sie uns etwas Ordentliches zu
essen bestellen.«
    Newbury lächelte. »Ja, sofort. Zuerst muss ich allerdings mit Ihnen
reden.«
    Bainbridge vernahm es besorgt. »Was ist denn los, Newbury?«
    Der Agent faltete die Serviette auf und legte sie sich auf die Knie,
dann suchte er den Blick seines Freundes. »Keine Panik, Charles. Ich brauche
noch mehr Informationen über William Ashford, das ist alles. Beispielsweise
habe ich mich gefragt, was nach seinem Tod aus seiner Familie geworden ist.«
    Bainbridge verzog das Gesicht. »Sie musste in ein Haus in der Nähe
von Cheapside umziehen. Ein schrecklicher Ort. Das war eine der schlimmsten
Aufgaben, die ich je übernommen habe, Newbury – dieser Frau zu sagen, dass ihr
Mann getötet worden war und dass sie und ihre Kinder zu allem Überfluss auch
noch aus der gewohnten Umgebung gerissen werden mussten. Sie ist weinend an
meiner Schulter zusammengebrochen und hat mich gebeten, das Haus behalten zu
dürfen. Doch ich hatte meine Befehle.« Er betastete
den Rand seines leeren Glases. »Und jetzt erfahre ich, dass es alles nur eine
Lüge war. Nun ja, das wirft wohl ein ganz anderes Licht auf die Ereignisse, was?«
    Newbury runzelte die Stirn. So grüblerisch hatte er Bainbridge noch
nicht oft gesehen. »Ich bin sicher, dass man es aus guten Gründen getan hat,
Charles. Außerdem ist es fünf Jahre her.« Er hielt
inne, als der Kellner seinen Brandy brachte. »Glauben Sie, Ashford wird seine
Familie suchen?«
    Â»Würden Sie das nicht tun?«
    Â»Darauf wollte ich ja hinaus. Ich kann mir vorstellen, dass seine
Angehörigen ein guter Ansatzpunkt wären, um mit der Fahndung nach ihm zu
beginnen.«
    Bainbridge schüttelte den Kopf. »Nein, das dürfen Sie nicht tun,
Newbury. Zerren Sie nicht die Vergangenheit ans Licht. Gut möglich, dass
Ashford seine Familie sucht – und der Mann tut mir ehrlich leid –, aber das
Letzte, was seine Frau jetzt braucht, ist die Neuigkeit, dass er die ganze Zeit
gelebt und sich unterdessen in ein halb mechanisches Ungeheuer

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