Osiris Ritual
und
war abgestoÃen. Es war, als blickte er in einen Spiegel und sähe sein
verzerrtes Ebenbild, dem jedoch jegliche menschliche Regung abhandengekommen
war. Ein Ungeheuer wie der abscheuliche Schurke, der vor ihm stand, würde er
keinesfalls werden. Niemals würde Newbury die Grenzlinie überschreiten und
seine Menschlichkeit vergessen. Knox dagegen tat dies offenbar mit Freuden.
Knoxâ linkes Auge funkelte, und Newbury beobachtete die winzigen
roten Lichtpünktchen, die sich im Kreis drehten, während das Gerät, das in der
Höhle des verlorenen Sehorgans steckte, die Schärfe nachstellte. Abermals
bewunderte Newbury Dr. Lucius Fabians Werk.
Die beiden Männer lösten sich voneinander und tänzelten vorsichtig
um den toten Zauberkünstler herum. Newbury hatte sich sehr bemüht, den anderen
Mann zurückzutreiben. Knox stieg rückwärts über Alfonsos Beine. Nun lag der
Tote zwischen ihnen, ihre Schwerter schwebten über ihm. »Nun, was ist denn aus
Ihrem Komplizen geworden, Knox? Hat er Sie irgendwie beleidigt?« Newbury blickte kurz auf den Toten herab.
Knox zuckte mit den Schultern. »Er war mir nicht länger nützlich.
AuÃerdem war er ein hinterhältiger Kriecher.«
»Immerhin hat er Ihnen doch mit seinem Auftritt die Frauen
verschafft, und Sie konnten sich diejenigen aussuchen, die Sie haben wollten.
Nur welchem Zweck hat das gedient?«
Knox lächelte amüsiert. »Newbury, wenn Sie darüber diskutieren
möchten, können wir die Klingen weglegen und zusammen eine Zigarette rauchen,
wie es vernünftige Gentlemen tun. Andernfalls wollen wir diese Begegnung rasch
beenden. Es ermüdet mich.« Die Sorglosigkeit des
Mannes war verblüffend, bot Newbury jedoch die Gelegenheit, auf die er gewartet
hatte. Er schlug überraschend zu, Knox musste sich mit einem Sprung rückwärts
in Sicherheit bringen, weil ihm der Hieb sonst von links nach rechts die Brust zerschnitten hätte. Immerhin riss ihm die Schwertspitze
Jacke und Hemd auf. Ein groÃer Spalt klaffte nun in der Kleidung. Newbury zog
die Klinge sofort wieder nach oben, traf das Heft von Knoxâ Waffe und riss sie
ihm aus der Hand. Das Schwert ï¬og in hohem Bogen über die Bühne und fiel
klappernd auf die Bretter.
Man musste Knox zugutehalten, dass ihn auch das kaum beeindruckte.
Als Newbury nach seinem Hieb einen sicheren Stand suchte, langte Knox bereits
nach der Klinge, die er Alfonso in die Brust getrieben hatte, und zog sie
heraus. Eine Blutfontäne schoss empor, als die Waffe freikam. Demnach war
Alfonso noch nicht lange tot.
Nach Newburys Stoà mit dem Ellenbogen lief Knox immer noch das Blut
über das Kinn. Doch er schien die Begegnung zu genieÃen, den Kampfrausch und
die Gelegenheit, den Mann zu verspotten, der ihm in vielerlei Hinsicht ähnlich
war. Newburys Miene dagegen zeugte von grimmiger Entschlossenheit. Mit jeder
Sekunde, die verstrich, mit jeder überheblichen Bemerkung, die Knox von sich
gab, wuchs seine Sorge um Veronica.
Knox war nur noch wenige Schritte von der offenen Luke in der Bühne
entfernt. Newbury lieà eine Reihe heftiger, wuchtiger Schläge los, prügelte
blindlings auf Knox ein und versuchte dabei gar nicht, ihn zu treffen. Es kam
nur darauf an, ihn rückwärts zu treiben und zu zwingen, ständig zu parieren,
was ihn daran hinderte, auf die FüÃe zu achten, die sich dem Loch im Boden
näherten. Newbury war klar, dass ein Gegenangriff ihn in groÃe Gefahr gebracht
hätte, doch andererseits gelang es ihm tatsächlich, den Gegner weiter zur Falltür
zu treiben. Er stieg über den toten Alfonso hinweg, achtete sehr darauf, nicht
das Gleichgewicht zu verlieren, und drängte weiter.
Die beiden Männer fanden einen eleganten Rhythmus â StoÃ, Parade,
StoÃ, Parade. Die Stahlklingen klirrten laut. Langsam näherten sie sich der offenen
Luke. Newbury wurde es heiÃ, und er ermüdete. Die Jagd über die Dächer und der
Kampf in der Untergrundbahn hatten ihn mitgenommen, bald würden seine Kräfte
erlahmen. AuÃerdem setzte ihm die Gier nach dem Laudanum zu und gewann mit
jedem Moment weiter an Stärke.
Als Knox dicht vor der Kante des Lochs stand, ergriff Newbury die
Gelegenheit. Er schlug Knoxâ Schwert mit der ï¬achen Klinge zur Seite, sprang
hoch und versetzte dem Gegner einen festen Tritt vor das Brustbein. Doch Knox
hatte damit gerechnet. Er
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