Osten, Westen
den Mund zu öffnen – nun ja, rings um sie herum eine gähnende Menschenleere von mindestens hundert Fuß Durchmesser ausbreitete.
Yoricks Pfad zur Ehe lag also frei und offen da, und ein armer Narr muss eben jede Frau nehmen, die er kriegen kann.
Er warb um sie mit Holzpfropfen in den Nasenlöchern. Am Hochzeitstag der beiden überreichte der König, der Yorick liebte, seinem Hofnarren ein höchst aufmerksames Geschenk: ein Paar silberne Nasenstöpsel. Und so geschah es; zuerst gepfropft und dann gestöpselt, sah unser verliebter Narr wahrhaftig nach dem aus, was er war.
Das also wäre jetzt geklärt.
[Auftritt der junge Prinz Amlethus mit einer Reitpeitsche.]
Die Szene ist ein ärmliches Schlafgemach in Helsingör. Yorick und sein Weib liegen fest schlafend auf ihrer Bettstatt. Unordentlich
auf einen nahen Stuhl geworfen: Kappe, Schellen, Narrenkleid etc. Irgendwo ein schlafender Säugling. Nun stelle man sich den Knaben Hamlet vor, wie er auf Zehenspitzen zum Bett schleicht, wo er sich mit gespannten Muskeln duckt, bis er endlich losspringt! Und nun:
Yor . (erwachend) Oh! Ah! Was für ein Hurensohn Pelions ist es, der, vom Ossa herabstürzend, mein Rückgrat zerbricht?
Ich muss mich unterbrechen, denn mir fällt da ein Misston auf. Würde ein Mann, der aus dem tiefsten Schlummer aufschreckt, weil ihm ein siebenjähriges Prinzlein auf den Rücken springt, tatsächlich seine Metaphern und klassischen Anspielungen so perfekt beherrschen, wie es der Text vermuten lässt? Möglicherweise kann man sich in dieser Beziehung doch nicht so ganz auf das Pergament verlassen; aber vielleicht waren Dänemarks Hofnarren ja ganz außerordentlich gebildet. Es gibt Dinge, die wir niemals erfahren werden ...
(Revenons à nos moutons.)
Ham. Yorick, der Tag ist erwacht! Begrüßen wir die Morgenröte mit einem Lied!
Oph. (beiseite) Mein Gatte kann diesen Prinzen nicht leiden; ein verwöhntes Balg, geschlagen mit Schlaflosigkeit, einer Heimsuchung, die er an uns weitergibt. Und so werden wir jeden Morgen wach, weil königliche Fäuste uns an den Haaren zerren oder Thronfolgerarschbacken auf unserem Hals herumhopsen. Wenn das mein Sohn wäre ... Einen guten Morgen, mein schöner Prinz!
Ham. Er ist gut, Ophelia. Ein Morgenlied, Yorick, nun komm schon!
Yor. Das überlass ich den Vögeln, die tun das ohnedies. Ich bleibe lieber in den Federn, ehrlich. Das Alter hat mich mit Krähenfüßen geschlagen oder mich zur Nachteule gemacht.
Ich singe nicht mehr, sondern krähe oder eulheule auf eine höchst unschöne Art.
Ham. Still! Nichts mehr davon! Dein Prinz verlangt ein Lied.
Yor. Hört mich zu Ende! Das Alter, Hamlet, ist eine untergehende Sonne, und es wäre nicht recht, wenn ich in meinen okzidentalen Jahren den orientalen Tag besinge.
Ham. Kein Wort mehr! Auf, auf! Singen! Ich werde auf deinem Rücken reiten und zuhören, wie du quirilierst.
Oph. (beiseite) Mit sieben hartnäckig wie «Der alte Mann und das Meer»; wer weiß, wie kommt er mit siebenundzwanzig daher?
Yor. (singt) Als ich noch jung war und liebte, ja liebte / Fand ich es süß, unendlich süüß / Oh, die Zeit zu nutzen, für mich allein. / Und hatte keine Bedenken dabei. / Doch dann kam das Alter auf heimlichen Sohlen / Und hat mir meine Liebe gestohlen ...
Ham. Halt ein, Yorick, mit diesem üblen Gejaule! Schweig unverzüglich still!
Yor. Hab ich es Euch nicht gleich gesagt?
Ham. Genug! Erzähl mir einen Witz, ein Rätsel! O ja, über eine Katze, die genau so ein Katzengeschrei anstimmt, wie du es soeben weit übertroffen hast.
Yor. (beiseite) Jetzt muss ich büßen, um ihm zu Willen zu sein. (laut) Es steckt noch Leben in dem alten Hund, den Ihr reitet; also sagt mir, Hamlet, warum haben Katzen neun Leben?
Ham. Ich weiß es nicht, aber warum sie neun Schwänze haben, das weiß ich sehr wohl, und du wirst es bald genug zu spüren bekommen, wenn dieses Rätsel langweilig ist.
Oph. (beiseite) Dieser Prinz ist so scharf wie seine Zunge; und der arme Yorick wird mit jedem Tag stumpfer.
Yor. Dann hört die Lösung! Alle Katzen sehen die Könige
an, wer aber einen Monarchen ansieht, der gibt sein Leben in dessen Hand; und ein Leben rinnt in solchen Händen nicht selten durch die Finger und vergeht. Und nun, Hamlet, zählt die Zwischenräume an Euren Händen, ich meine, zwischen Finger und Finger, und Finger und Finger, und Finger und Finger, und Finger und Daumen. An beiden Händen zählt Ihr acht Kluften, durch die ein Leben fallen kann.
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