Osten, Westen
Tapete hervor und sieht ...
... seinen Vater, der sich wie von Sinnen auf die Königin stürzt. Es ist der schweinisch schnobernde Horwendillus, unter dem Königin Gertrude schluchzt und sich windet – und dann stillliegt, während ihr Atem in Hamlets Ohren so rau klingt, als würde ihr die Kehle zugedrückt.
Der Prinz hört den Tod in ihrer Stimme und begreift mit seinem siebenjährigen Scharfsinn, dass der Vater auf Mord aus ist.
Da springt er hervor: «Aufhören! Aufhören, sage ich!»
Der federnde Rücken des Vaters! Die Mutter hebt die Hand an ihre Kehle und bestätigt damit Hamlets Verdacht, dass ihr Erdrosselung droht. Die Szene ist eindeutig. Ich habe ihr das Leben gerettet, denkt Amlethus voll Stolz. Doch der betrunkene Horwendillus greift sich seinen Sohn & prügelt ihn & peitscht ihn & prügelt ihn abermals. – Eine seltsame Art des Prügelns, denn er schlägt damit etwas in den Prinzen hinein, während Strafen doch eigentlich dazu dienen, etwas Böses aus einem Menschen herauszuprügeln.
Was wird in ihn hineingeprügelt? Nun ja, natürlich Hass; und abgrundfinstere Racheträume.
Hamlet allein: Doch Monologe will ich mächtigeren Federn überlassen. Mein Pergament schweigt über das, was Hamlet empfand, als er striemenübersät in seinem Gemach eingesperrt war. Auf seine Gedanken sollten Sie aus dem schließen, was er dann tat.
Wenn Sie wollen, können Sie dafürhalten, dass er von etwas verfolgt wurde. Dass ein Horwendillus-Phantom vor seinen Augen wabert und der Königin den Lebenshauch abzudrücken droht. Amlethus’ Augen, vor Angst hellsehend, beobachten das fürchterliche Gespenst, wie es Königin Gertrude tausendmal und mehr ermordet, etwa im Bad über sie herfällt, um sie zu erwürgen (während die Seifenblasen auf ihren Lippen ersterben), oder sie vor ihrem Spiegel erdrosselt und sie so zwingt, ihren eigenen Exitus zu beobachten.
Geschätzter Leser, denken Sie an Hamlets Träume, betrachten Sie durch seine Augen Horwendillus, die Chimäre, wie sie die Finger an der Kehle seiner Mutter hat – in den Gärten, den Küchen, den Ballsälen und Treibhäusern; auf Stühlen, Betten, Tischen & Böden; in der Öffentlichkeit und zu Hause, bei Tag und bei Nacht, vor und nach dem Lunch, während sie singt und während sie schweigt, bekleidet und nackt, im Boot und zu Pferde, auf dem Thron oder auf dem Pisspott –, dann können Sie vielleicht verstehen, warum er, der Prinz, die jüngste «Rettung» seiner Mutter nicht als ein Ende sah, sondern als den Anfang seiner liebevollen Sorge; warum er sich den Kopf zerbrach, wie er seine Ängste endgültig tilgen könne. – Und so wird daraus ein Plot geboren, empfangen von der Notwendigkeit, von einem Hass, dessen Zeugungsorgan die königliche Peitsche war, die auf seinen königlichen Arsch niedersauste und auf diesen Hinterbacken eben dasselbe Yoricken hinterließ, das er so oft den Narren hatte spüren lassen.
Und der Plot konzentriert sich bald auf Yorick; der verbitterte Hamlet wird den Hofnarren als Instrument seiner Rache benutzen.
Nun können Sie sehen, wie zwei Hassgefühle miteinander verschmelzen: Die Wut in Hamlets aufgebrachtem Hirn vereinigt (man möchte fast sagen: vermählt) Ophelia mit dem König. Er sieht, dass sein unerbittlicher Zorn beide Typen
gleichzeitig mit einem Stein abschießen, versteinern kann (denn es ist ein medusischer Zorn, der Yorick-Fleisch in tödlichen Granit zu verwandeln vermag).
Und schließlich hört man den Knaben-Prinzen in seinem Gemach, wie er rundherum & rundherum wandert, während seinen Lippen ein düsteres Rätsel entfleucht:
«Nicht flüssig, nicht fest, nicht gaseos,
Geruchs-, geschmacks- und körperlos,
Dient es zum Guten wie zum Bösen.
Ins Ohr gegossen, kann es töten.»
Also, lieber Leser, ich gratuliere. Denn Ihre Phantasie, deren Ausgeburt all diese finsteren Vermutungen sind (ich habe ja diesen Passus begonnen, indem ich Stillschweigen geschworen habe), erweist sich inzwischen als fruchtbarer und überzeugender als die meine.
Nun ist, wie Sie ganz richtig vermuten, meine Aufgabe eine sehr kurze. Bleibt nur noch, Hamlet und Yorick, der eine, wie es ihre Gewohnheit ist, auf dem Rücken des anderen, auf eine Terrasse unterhalb des Schlosses von Helsingör zu versetzen, wo der junge Prinz Yorick ein so magisches Gift ins Ohr träufelt, dass der Narr närrischen Wahnvorstellungen anheimfällt.
Sie haben alles begriffen. Der Geist von Hamlets lebendem Vater erscheint, um den armen
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