Osten, Westen
zu beschreiben.
Vor kurzem habe ich sie zufällig gesehen. Sie saß, von Freizeitkommandos mit Gefechtsatomwaffen behütet, am anderen Ende einer langgestreckten, dunklen, unterirdischen Bar. Auf der Theke standen polynesische Snacks, und ausgeschenkt wurde Fassbier aus dem pazifischen Raum: Kirin, Tsingtao, Swan.
Damals widmeten sich zahlreiche Fernsehsender dem traurigen Fall des auf dem Mars gestrandeten Astronauten, für den es keine Rettung gab und dessen Lebensmittel- und Atemluftvorräte immer weniger wurden. Offizielle Sprecher berichteten von zwingenden Argumenten für einen sofortigen Stopp aller Raumforschungsvorhaben. Wir fanden diese Argumente überzeugend. Einflussreiche Stimmen beklagten
die sentimentale Natur der Bilder von diesem sterbenden Raumfahrer, und dennoch hörten die Kameras in dem gestrandeten Raumfahrzeug nicht auf, uns gestochen scharfe Aufnahmen von seinem allmählichen Absinken in die Verzweiflung, von seinem schwerelosen, gewichtsreduzierten Tod zu senden.
Ich beobachtete meine Cousine Gale, während sie in der Kneipe auf den Bildschirm starrte. Sie schien nicht zu bemerken, dass ich sie beobachtete, nicht zu wissen, dass sie zu meinem auserwählten Programm geworden war.
Der zum Sterben Verurteilte auf einem anderen Planeten – der zum Sterben Verurteilte im Fernsehen – begann, krächzend ein Medley bruchstückhaft erinnerter Schlager zu singen. Ich musste an den sterbenden Computer Hal in dem alten Film «2001: A Space Odyssey» denken. Als sein Stecker herausgezogen wurde, sang er «Daisy, Daisy».
Der Marsmensch – denn er war nun zum bleibenden Bewohner dieses Planeten geworden – lieferte uns seine persönlichen Weltraumversionen von «Swanee», «Show Me the Way to Go Home» und einigen Nummern aus «The Wizard of Oz»; Gales Schultern begannen zu zucken: Sie weinte.
Ich ging nicht hinüber, um sie zu trösten.
Am Morgen darauf erfuhr ich von der bevorstehenden Versteigerung der roten Schuhe und beschloss sofort, diese um jeden Preis zu erwerben. Mein Plan war einfach: Ich wollte Gale diese Zauberschuhe in aller Bescheidenheit zum Geschenk machen. Wenn sie es wünsche, wollte ich zu ihr sagen, könne sie mit ihnen zum Mars reisen und den Raumfahrer zur Erde zurückholen.
Vielleicht gelang es mir sogar, dreimal die Hacken zusammenzuschlagen und ihr Herz zurückzuerobern, indem ich in
wehmütiger Erinnerung an unsere verschwendete Liebe ganz leise sagte: Am schönsten ist es doch zu Hause.
Lachen Sie über meine Verzweiflung? Sagen Sie einem Ertrinkenden, er soll sich nicht an den rettenden Strohhalm klammern! Sagen Sie einem sterbenden Astronauten, er soll aufhören zu singen! Kommen Sie her und springen Sie beim Ersteigern der Schuhe ein! Was sagte doch der ängstliche Löwe: Greif doch an! Greif doch aaan! Ich besieg dich noch mit einer auf den Rücken gebundenen Hand. Ich besieg dich mit geschlossenen Augen.
Angst gekriegt, was? Angst gekriegt?
Der Große Auktionssaal der Versteigerer ist das pulsierende Herz der Welt. Bleibt man lange genug dort, sieht man alle Wunder der Erde an sich vorüberziehen. Im Großen Auktionssaal haben wir im Lauf der letzten Jahre die Versteigerung des Tadsch Mahal erlebt, der Freiheitsstatue, der Alpen, des Sphinx. Wir waren anwesend beim Verkauf von Ehefrauen und dem Erwerb von Ehemännern. Hier wurden an den Meistbietenden ganz offen Staatsgeheimnisse verkauft. Bei einer besonderen Gelegenheit riefen die Auktionatoren vor einer überhitzten und interkonfessionellen Schar rot glühender Dämonen eine umfassende Auswahl menschlicher Seelen aller Klassen, Arten, Altersgruppen, Rassen und Glaubensbekenntnisse auf.
Wirklich alles steht zum Verkauf, und unter der energischen, aber im Grunde doch wohlmeinenden Oberaufsicht der Auktionatoren, ihrer Sicherheitshunde und SWAT-Teams stürzen wir uns in eine Schlacht der geistigen und monetären Potenzen, in einen wahren Nervenkrieg.
Es liegt eine gewisse Reinheit in unserem Verhalten dort, und es herrscht eine ästhetisch befriedigende Spannung zwischen
der ungeheuren Vielfalt des Lebens, das dort, zu Losen zusammengestellt, unter den Hammer kommt, und der nicht minder ungeheuren Schlichtheit unserer Art, mit diesem Leben umzugehen.
Wir bieten, die Auktionatoren geben oft den Zuschlag, wir fahren fort.
Vor der Gerechtigkeit des Auktionshammers sind alle gleich: der Pflastermaler und Michelangelo, das Sklavenmädchen und die Königin.
In diesem Gerichtssaal regiert
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