Osten, Westen
der Markt.
Jetzt beginnen sie für die Schuhe zu bieten. Je höher die Gebote steigen, desto enger zieht sich meine Kehle zusammen. Panik umklammert mich, zerrt mich hinab, ertränkt mich. Ich denke an Gale – süßes Cousinchen! –, bekämpfe meine Furcht und biete mit.
Einmal bat mich der Witwer einer weltberühmten, sehr beliebten Popsängerin, an seiner Stelle an einer Versteigerung von Rock-Souvenirs teilzunehmen. Er war der einzige Treuhänder ihres Vermögens, das über zehn Millionen betrug. Ich behandelte ihn mit Respekt.
«Es gibt nur einen Aufruf, den ich haben möchte», erklärte er mir. «Bieten Sie für ihn so hoch wie nötig.»
Es war ein Kleidungsstück, ein essbares Unterhöschen aus Reispapier mit Pfefferminzgeschmack, vor langer Zeit in einem Geschäft am (ich glaube, so hieß das damals) Rodeo Drive gekauft. Zu der Bühnenshow der verstorbenen Ehefrau meines Auftraggebers hatte es gehört, mehrere dieser Höschen öffentlich auszuziehen und zu essen. Weitere Höschen in verschiedenen Geschmacksrichtungen – Schokolade, Eierlikör, Knickerbocker, Glory, Cassata – wurden in die
Menge geworfen. Auch diese wurden in der allgemeinen Erregung während des Konzerts verspeist, weil die Glücklichen, die sie auffingen, viel zu hingerissen waren, um nach dem zukünftigen Wert ihrer Beute zu fragen. Unterhöschen, die von der Lady tatsächlich getragen worden waren, gab es daher nur noch sehr selten, und die Nachfrage war enorm.
Während der Versteigerung kamen die Gebote über Videoverbindungen aus Tokio, Los Angeles, Paris und Mailand – so schnell und in solcher Höhe, dass ich aufgab. Doch als ich meinen Auftraggeber anrief, um ihm meinen Misserfolg einzugestehen, kümmerte ihn das kaum, und er interessierte sich ausschließlich für das Höchstgebot. Ich erinnerte mich an einen fünfstelligen Betrag, und er lachte. Es war das erste, wahrhaft aufrichtige Lachen, das ich seit dem Tod seiner Frau von ihm gehört hatte.
«Wunderbar!», erwiderte er. «Ich hab noch dreihunderttausend davon.»
Also gehen wir zu den Auktionatoren, um den Wert unserer Vergangenheit, unserer Zukunft, unseres ganzen Lebens in Erfahrung zu bringen.
Der Preis für die roten Schuhe steigt und steigt. Viele Bieter scheinen Strohmänner zu sein, so wie ich damals am Tag des Unterhöschens; und wie ich es so oft auf die unterschiedlichste Art und Weise bin.
Heute jedoch biete ich – möglicherweise buchstäblich – für mich selbst.
Draußen auf der Straße gibt es eine Explosion. Wir hören Menschen laufen, hören Sirenen, Schreie. Derartiges ist alltäglich geworden. Also bleiben wir, wo wir sind, vertieft in ein weitaus faszinierenderes Drama.
Die Spucknäpfe werden eifrig frequentiert. Hexen kreischen,
Filmstars stürzen mit matt gewordener Aura davon. Vor den Beichtstühlen der Psychiater bilden sich Schlangen von Verzweifelten. Inzwischen haben auch die knüppelschwingenden Wachmänner zu tun, nur die Geburtshelfer sind noch arbeitslos. Die Ordnung wird aufrechterhalten. Ich bin der einzige Bieter, der im Auktionssaal anwesend ist. Meine Rivalen sind körperlose Köpfe auf Videoschirmen und unhörbare Stimmen am Telefon. Ich kämpfe gegen eine unsichtbare Welt von Dämonen und Geistern, und der Siegespreis ist die Hand meiner Lady.
Auf dem Höhepunkt jeder Versteigerung, wenn das Geld nur noch den Spielstand anzeigt, geschieht etwas, das ich nur ungern zugebe: Man fühlt sich losgelöst von der Erde.
Die Schwerkraft lässt nach, das Gewicht verringert sich, man schwebt in der Raumkapsel des Wettbietens. Das absolute Ziel überschreitet die Grenze des Wahnsinns. Das Streben, es zu erreichen, und unser eigenes Weiterleben werden – jawohl! – Fiktion.
Und Fiktionen – ich war nahe daran, vorhin darauf hinzuweisen – sind gefährlich.
In den Krallen der Fiktion würden wir Hypotheken auf unser Haus aufnehmen, unsere Kinder verkaufen – nur um das Objekt unserer Sehnsucht zu erringen. Denn sonst würden wir in diesem miasmischen Meer einfach dahintreiben, uns von unseren Wünschen entfernen und sie aus der Entfernung sehen, sodass sie auf einmal bedeutungslos wirken, trivial. Wir lassen sie fahren. Und legen uns, wie Menschen, die in einem Blizzard umkommen, in den Schnee, um auszuruhen.
So kommt es, dass meine Cousine Gale im Feuerofen der Auktion ihre Macht über mich verliert. So kommt es, dass
ich aus dem Wettbieten aussteige, nach Hause gehe und einschlafe.
Sobald
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