Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Osten, Westen

Osten, Westen

Titel: Osten, Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
Vom Netzwerk:
Loge auf und wirkte höchst beunruhigt.
    «Suno, hören Sie», sagte der Maharadscha von B., «Sie wissen nicht, wo ich bin, samajh liya? Verstanden? Irgendwelche primitive Personen könnten nach mir fragen. Sie wissen nichts. Ich bin im Ausland, achha? Auf ausgedehnten
Auslandsreisen. Tun Sie Ihre Pflicht, Portier! Reiche Entschädigung winkt.»
    Spät am Abend tauchten tatsächlich zwei Schlägertypen auf. Wie es schien, hatte der behaarte Fürst P. Spielschulden. «Nicht da.» Mixed-Up zeigte sein schönstes Lächeln. Die beiden Schlägertypen nickten bedächtig. Sie hatten lange Haare und wulstige Lippen wie Mick Jagger. «Aha, der Herr ist beschäftigt. Wir hätten uns einen Termin geben lassen sollen», wandte sich der erste Typ an den zweiten. «Hab ich dir nicht gesagt, wir hätten vorher anrufen sollen?»
    «Doch, das hast du», bestätigte der zweite Typ. «So was muss man richtig machen, hast du gesagt, der Mann ist fürstlichen Geblüts. Und recht hast du gehabt, mein Sohn, ich gestehe, dass ich mich geirrt habe. Ich erinnere mich genau.»
    «Wir werden unsere Visitenkarte hinterlassen», sagte der erste Typ. «Dann weiß er, dass er uns erwarten darf.»
    «Ideal», sagte der zweite Typ und schmetterte dem alten Mixed-Up die Faust zwischen die Zähne. «Also, du sagst es ihm», sagte der zweite Typ und pflanzte dem Alten die Faust aufs Auge. «Sobald er nach Hause kommt. Du wirst’s ihm sagen.»
     
    Anschließend hatte er die Haustür abgeschlossen; aber viel später, lange nach Mitternacht, hämmerte jemand dagegen.
    «Wer?», rief Mixed-Up.
    «Wir sind enge Freunde des Maharadschas von B.», sagte eine Stimme. «Nein, das stimmt nicht. Gute Bekannte.»
    «Er verkehrt mit einer Dame aus unserem Bekanntenkreis», erläuterte eine zweite Stimme. «Um genau zu sein.»
    «In diesem Zusammenhang hätten wir ihn gern gesprochen», sagte die erste Stimme.
    «Nicht da», antwortete Mecir. «Jetflieger. Weg.»
    Nun herrschte Schweigen. Dann sagte die zweite Stimme:
«Man kann nicht zum Jetset gehören und nie den Fuß in einen Jet setzen, eh? Biarritz, Monte und so weiter.»
    «Vergessen Sie nicht», mahnte die erste Stimme, «Seiner Hoheit auszurichten, dass wir sehnsüchtig seine Rückkehr erwarten.»
    «Im Zusammenhang mit unserer gemeinsamen Freundin», sagte die zweite Stimme. «Sehnsüchtig.»
     
    Was soll der arme, verwirrte Gegner tun? Unversehens fiel mir der Text aus dem Schachbuch ein. Wie kann er sich gegen alle Drohungen zugleich verteidigen? Wo wird der entscheidende Schlag fallen? Lesen Sie, wie Mecir Najdorf in Atem hält, indem er ständig den Kriegsschauplatz wechselt.
    Mixed-Up war in seine Pförtnerloge zurückgekehrt, und diesmal war er in Tränen ausgebrochen, obwohl ihm niemand Gewalt angetan hatte. Nach einiger Zeit war er mit dem Lift in den vierten Stock hinaufgefahren, um, durch den Briefschlitz flüsternd, Certainly-Mary ins Bild zu setzen, die auf ihrer Matte schlief.
    «Ich wollte den Sahib nicht wecken», sagte Mary. «Du kennst sein Froblem, na ? Und Begum Sahib ist nach einem langen Tag so müde. Also sag uns, baba, was sollen wir tun?»
    Was erwartete sie Großes von mir? Ich war erst sechzehn. «Mixed-Up muss die Polizei anrufen», schlug ich nicht sehr originell vor.
    «Nein, nein, baba», widersprach Certainly-Mary energisch. «Wenn der Courter dem Maharadscha- log einen Skandal anhängt, ist es natürlich schließlich nur der Courter, der auf der Straße sitzen wird.»
    Etwas anderes wollte mir nicht einfallen. Ich stand vor den beiden und fühlte mich wie ein Idiot, während sie mit ängstlichem, flehendem Blick zu mir aufsahen.
    «Geht schlafen!», riet ich ihnen. «Wirwerden morgen früh
darüber nachdenken.» Die ersten beiden Schläger waren Taktiker, dachte ich. Mit ihnen fertigzuwerden war schwierig. Aber das zweite Paar ist viel gefährlicher; das sind die Strategen. Die drohen zu drohen!
     
    Am folgenden Morgen geschah erst einmal nichts, und der Himmel war klar. Es war fast unmöglich, an Fäuste und drohende Stimmen vor der Haustür zu glauben. Im Verlauf des Tages statteten beide Maharadschas dem Portier einen Besuch ab und steckten ihm Fünf-Pfund-Noten in die Westentasche. «Stellung gehalten, guter Mann», lobte der Fürst P., und der Maharadscha B. stimmte in dieses Lob ein: «Haargenau. Alles unter Kontrolle, achha ? Problem gelöst.»
    Am Nachmittag hielten wir drei – Aya Mary, ihr Courter und ich – Kriegsrat und entschieden, dass keine weiteren

Weitere Kostenlose Bücher