Osten, Westen
als ihr junger Greenhorn-Cousin, zu dem sie nett war, weil er noch nicht gelernt hatte, allein zurechtzukommen.
«She-E-rry, won’t you come out tonight?», jodelten die Four Seasons. Ich wusste genau, was sie empfanden. «Come, come, come out toni-yi-yight.» Und dann kannst du mich auch gleich «love, love me do».
6
Sie gingen in den Kensington Gardens spazieren. «Pan», sagte Mixed-Up und deutete auf eine Statue. «Verlorn Junge. Nie erwachsen.» Sie gingen zu Barkers und Ponting’s oder Derry & Tom’s und wählten Möbel und Vorhänge für imaginäre Wohnungen aus. Sie durchstreiften Supermärkte
und suchten sich kleine Delikatessenläden, um dort etwas zu essen. In Mecirs vollgestopfter Portiersloge tranken sie, was er als «Schimpansentee» bezeichnete, und toasteten vor einem elektrischen Heizofen Crumpets.
Dank Mixed-Up konnte Mary endlich fernsehen. Am besten gefielen ihr die Kindersendungen, vor allem «Familie Feuerstein». Einmal vertraute Mary, kichernd vor so viel Wagemut, Mixed-Up an, Fred und Wilma erinnerten sie an ihren Sahib und ihre Begum Sahib oben; woraufhin der Courter, nicht weniger tollkühn als sie, zuerst auf Certainly-Mary und dann auf sich selbst deutete, ein breites, zahnlückiges Grinsen zeigte und sagte: «Geröllheimer.»
Später, bei den Nachrichten, warnte ein fuchsgesichtiger Engländer mit schmalem Schnäuzer und Wahnsinn im Blick vor den Einwanderern. Certainly-Mary schlug mit der Hand auf den Apparat: «Khali-pili bom marta», protestierte sie und übersetzte dann für ihren Gastgeber: «Für gar nichts schreit, schreit. Schlechtes Leben! Abschalten!»
Immer wieder wurden sie von den Maharadschas B. und P. gestört, die herunterkamen, um ihren Ehefrauen zu entkommen und von der Telefonzelle in der Portiersloge aus andere Damen anzurufen.
«Ach, Baby, vergiss den Kerl», sagte der sportliche Fürst P., der seine Tage im weißen Tennisdress zu verbringen schien und dessen protzige goldene Rolex im dichten Haarpelz auf seinem Unterarm fast unterging. «Ich hab dir was Besseres zu bieten als der, Baby; herzlich willkommen in meiner Welt!»
Der Maharadscha B. war älter, hässlicher und sachlicher. «Ja, gut, bringen Sie alle Geräte mit! Das Zimmer ist auf den Namen Mr. Douglas Home gebucht. Sechs Uhr fünfundvierzig bis sieben Uhr fünfzehn. Haben Sie eine gedruckte
Gebührenkarte? Bitte. Außerdem ein zwei Fuß langes Lineal, aber aus Holz. Und eine Rüschenschürze.»
Dies alles blieb mir vom Waverley House in Erinnerung, von diesem Durcheinander an schlechten Ehen, Schnaps, Ehebrechern und unerfüllten jungen Gelüsten; vom Maharadscha P., wie er jeden Abend im roten Sportwagen mit dazu passender Blondine Richtung Londons Casinoland davonröhrte, und vom Maharadscha B., wie er sich mit Sonnenbrille im Dunkeln und auch im Sommer hochgeschlagenem Mantelkragen zur Kensington High Street davonstahl; und im Zentrum dieses kleinen Universums saßen Certainly-Mary und ihr Courter, tranken Schimpansentee und sangen die Nationalhymne von Felsental mit:
Flintstones! Meet the Flintstones!
They’re the modern stone age family.
Aber sie waren ganz und gar nicht wie Barney und Betty Geröllheimer. Sie waren förmlich und höflich. Sie waren courtly. Er machte ihr den Hof, während sie wie ein schüchterner, gelockter Unschuldsengel den Kopf neigte und sich den Hof machen ließ.
They’re a page right out of his-to-ry.
7
Im Jahre 1963 verbrachte ich ein Semester-Wochenende in Beccles, Suffolk, bei Field Marshal Sir Charles Lutwidge-Dodgson, einem alten Indienexperten und Freund der Familie, der meinen Antrag auf die britische Staatsbürgerschaft
unterstützte. «Der Dodo», wie er genannt wurde, lud mich allein zu sich ein, weil er mich, wie er sagte, ein wenig besser kennenlernen wollte.
Er war ein wuchtiger Mann, dem die Haut inzwischen zu lose am Gesicht hing, ein Riese, der in einem winzigen Cottage mit Strohdach hauste und sich ständig den Schädel anstieß. Kein Wunder, dass er zuweilen reizbar war; er lebte in der Hölle, ein Gulliver, gefangen in diesem Rosengarten-Liliput mit Krockettoren, Kirchenglocken, sepiafarbenen Fotos und alten Regimentstrompeten.
Das Wochenende war wechselhaft und unbehaglich, bis der Dodo sich erkundigte, ob ich Schach spielte. Die Aussicht auf ein Spiel gegen einen Feldmarschall erfüllte mich mit Ehrfurcht und ließ mich beklommen nicken – doch neunzig Minuten später hatte ich zu meiner eigenen
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