Osteopathie: Sanftes Heilen mit den Händen
Rumpf im Vergleich zum Becken dagegen nach hinten, spricht der Osteopath von einem »posterioren Haltungstyp«. Das Körpergewicht liegt dann hauptsächlich auf den Fersen, das Fußgewölbe ist meist zusammengebrochen. Die vorderen Muskeln des Oberschenkels stehen unter Spannung, die Knie befinden sich nicht im Lot, auf den inneren Organen der Bauchhöhle herrscht ein großer Druck, und die Bänder und Muskeln des Beckens sind gedehnt. Da das Becken nach hinten neigt und der Schwerpunkt hinter der Fußmitte liegt, muss ein Gegengewichtgeschaffen werden. Dies gelingt dem Körper, indem er vor allem den Schultergürtel nach vorn schiebt, dafür aber den Nacken extrem belastet. Die Krümmung auf Höhe der Schulterblätter (Dorsalkyphose) tendiert zum Buckel.
Posteriore Haltungstypen haben oft Schwierigkeiten mit Augen, Nase und Rachen und neigen zu Problemen im analen und urogenitalen Bereich. Sie weisen eher ein aufsteigendes Verletzungsmuster auf. Verletzungen im unteren Körperbereich führen häufig zu Kompensationsschäden im oberen Körperbereich.
Die unterschiedlichen Bewegungsarten
Die Wirbelsäule kann sich nach vorn und hinten beugen, zur Seite neigen und seitlich drehen.
Aus osteopathischer Sicht spielen neben der Haltung auch die Bewegungsarten der Wirbelsäule eine wichtige Rolle. Wie für jeden anderen Körperbereich lassen sich bei der Wirbelsäule drei Arten von Bewegung unterscheiden.
Das zentrale Nervensystem, das auch durch den Rückenmarkskanal der Wirbelsäule verläuft, steuert die willentlichen Bewegungen, also die so genannte Mobilität. Bewegungen der Wirbelsäule sind möglich, da die einzelnen Wirbel über jeweils zwei Wirbelgelenke und eine ebene Gelenkfläche miteinander verbunden sind. Auf diesen Gelenkflächen sitzen die Bandscheiben, knorpelige Ringe mit innerem Gallertkern. Sie tragen die Last des Körpers. Die Wirbel schaffen Stabilität, die Bandscheiben und die Wirbelgelenke erlauben Beweglichkeit. Die Wirbelsäule kann sich nach vorn und hinten beugen, zur Seite neigen und seitlich drehen.
Info
Die »Schlüsselwirbel«
In der Osteopathie stellen drei Wirbel wichtige Drehpunkte für die zahlreichen Bewegungsabläufe des Körpers dar. Sie gelten als »Schlüsselwirbel« und werden bei Problemen der Wirbelsäule häufig aufmerksam untersucht undgegebenenfalls behandelt. Es sind dies der fünfte Halswirbel (HWK 5), der vierte Brustwirbel (BWK 4) und der dritte Lendenwirbel (LWK 3).
Die Wirbelsäule unterliegt Bewegungen, die vom vegetativen Nervensystem gesteuert werden.
Die Wirbelsäule unterliegt außerdem Bewegungen, die vom autonomen oder vegetativen Nervensystem gesteuert werden; wir erleben dies als die körpereigenen Automatismen. Der Atemrhythmus hat dabei den größten Einfluss auf die Wirbelsäule. Beim Einatmen bewegt sich die Krümmung der Halswirbelsäule (HWS-Lordose) seitlich gesehen von innen nach außen. Luft strömt in die Lungen, der Brustkorb weitet sich und zieht die Wirbelsäule im Brustbereich nach vorn. Das Zwerchfell drückt beim Einatmen auf die Bauchorgane, der Druck in der Bauchhöhle erhöht sich, die Krümmung im Lendenwirbelbereich (Lendenlordose) weicht nach hinten. Die Krümmungen nehmen insgesamt ab. Beim Ausatmen erfolgen diese Bewegungen genau in die entgegengesetzte Richtung, insgesamt etwa 20 000-mal am Tag. Dabei reduziert sich beim Einatmen die Stärke der einzelnen Krümmungen und streckt sich die Wirbelsäule in die Länge. Beim Ausatmen kehrt sie in ihre Ausgangsposition zurück. Bei vertiefter Ein- und Ausatmung lässt sich dies besonders gut beobachten.
Die Bewegungen der inneren Organe lassen sich an Bewegungen der Wirbelsäule nachweisen.
Neben dem Atemrhythmus übt auch der Herzrhythmus – durch die Nähe des Herzens zur Brustwirbelsäule und die Pulsation der zahlreichen Blutgefäße entlang der Wirbelsäule – seinen Einfluss auf die Bewegungen der Wirbelsäule aus. Selbst die Bewegungen der inneren Organe, wie etwa die Peristaltik des Verdauungstraktes, lassen sich an Bewegungen der Wirbelsäule nachweisen, die über zahlreiche Strukturen mit diesen Organen verbunden ist.
Das kraniosakrale System
Hirnhäute und spinale Dura mater bilden eine schlauchähnliche Einheit.
Auch die primäre Respirationsbewegung (siehe → S. 46 ) lässt sich entlang der Wirbelsäule erspüren, verursacht also Bewegung.Der Impuls, den die zyklische Neubildung des Liquors im Schädel verursacht, pflanzt sich dabei im Rückenmarkskanal bis zum
Weitere Kostenlose Bücher