Osteopathie: Sanftes Heilen mit den Händen
bestimmte Richtung zieht. Umgekehrt kann eine Narbe aber auch einen solchen Zug ausüben, dass ein Organ nicht mehr seinen richtigen Platz einnehmen kann. Oft zeigt sich das veränderte innere Organ durch ein »Zuviel« oder »Zuwenig«. Der Bauch scheint dann an dieser Stelle entweder dicker zu sein oder ein »Loch« zu haben. Patienten wundern sich häufig, wenn der Osteopath bereits durch genaues Beobachten beispielsweise ein Magenproblem erahnt.
Untersuchungen zum Gang
Nun folgen Beobachtungen zum Gang. Der Patient wird gebeten, ein paarmal auf- und abzugehen. Stimmen Rhythmus, Schrittlänge und Tempo? Welche Bewegungen am Körper löst das Vorwärtskommen aus? Dreht sich beispielsweise der Schultergürtel links und rechts gleich? Pendeln die Arme gleichmäßig? Wie verläuft die Beckenhöhe vorn und hinten? Wie verhält sich das Kreuzbein zwischen den beiden Beckenschaufeln, wenn der Patient ein Bein hebt? Wie bewegen sich die Organe mit? Fallen andere Asymmetrien auf? Der erste Eindruck ist wichtig, doch bildet er noch kein endgültiges Urteil.
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Quantitative und qualitative Bewertung
Die Krankheitsgeschichte des Patienten und die genaue Kenntnis von Anatomie und Physiologie erlauben es dem Osteopathen, aufgrund des bisher Beobachteten Mutmaßungenanzustellen. Diese wird er nun durch Bewegungstests im Stehen und im Sitzen überprüfen. Hierbei zählen nicht nur das Ausmaß der Bewegung, also die Quantität, sondern auch ihr Ablauf und ihr zeitlicher Verlauf, also die Qualität der Bewegung.
Bewegungstests zeigen Quantität und Qualität der Bewegung beim Patienten.
Die Tests können aktiv oder passiv erfolgen oder eine Kombination aus beidem sein. Aktiv bedeutet, der Patient führt die Bewegung selbst aus. Er beugt sich beispielsweise nach vorn. Die Bewegung sollte harmonisch erscheinen, die Wirbelsäule sich gleichmäßig nach vorn rollen, ohne dabei ein »gerades« Stück zu bilden. Der Körper sollte währenddessen kleine Ausgleichsbewegungen nach rechts oder links machen. Und der Patient sollte mit Leichtigkeit wieder in den aufrechten Stand zurückgelangen. Bei passiven Tests, die oft auch im Liegen erfolgen, steuert der Osteopath die Bewegung. Er fühlt etwa, wie gut sich ein Wirbel nach links oder rechts drehen und neigen kann, indem er ihn selbst bewegt. Der Patient bleibt dabei locker, entkrampft, muss den Test zulassen wollen. Es gibt Tests, die der allgemeinen Übersicht dienen, und andere, die sehr ins Detail gehen. Je nach Notwendigkeit werden sie entsprechend ausgewählt. Mit ihnen lassen sich die Bereiche eingrenzen, in denen dann weiter untersucht wird.
Untersuchungen auf dem Behandlungstisch
Egal, wie entspannt ein Patient sich auch geben mag, in aufrechter Haltung wird sein Körper gegen die Schwerkraft ankämpfen. Liegt der Patient hingegen auf dem Behandlungstisch, wird die Wirkung der Schwerkraft weitgehend abgefangen. Die Muskulatur kann sich entspannen, die Gelenke nehmen eine neutrale Ruhestellung ein. Der Osteopath kann so beispielsweise überprüfen, ob Asymmetrien durch die Schwerkraft bedingt sind oder ob sie aus anderen Gründen weiter bestehen. Spätestens jetzt wendet der Osteopath die manuellen Techniken an, die erim Laufe seiner fünfjährigen Ausbildung erlernt hat. Drei unterschiedliche Bewegungen wird er mit ihnen aufspüren und auslösen: die willentlich gesteuerte Bewegung, also die Mobilität, die vegetativ gesteuerte Bewegung oder Motrizität und die Motilität der primären Respirationsbewegung.
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Am Anfang steht die Palpation
Ausgangspunkt einer jeden Technik ist die so genannte Palpation, das Auflegen der Hand, um mit ihr passiv die Oberfläche, die Größe, die Lage und die Bewegung des zu untersuchenden Bereiches zu erspüren.
Der Osteopath achtet bei der manuellen Untersuchung darauf, dass er keine Abwehrreaktion des Gewebes hervorruft.
Dabei wird meist kaum Kraft aufgewandt. Schließlich soll die Bewegung unter normalen Bedingungen erspürt werden und nicht, wie sie sich verhält, wenn massive äußere Einflüsse auf sie einwirken. Gewebe reagiert auf starke äußere Einflüsse nämlich meist mit einer Kontraktion. Daher muss der Osteopath bei dieser Form der manuellen Untersuchung darauf achten, dass er keine Abwehrreaktion des Gewebes hervorruft. Die eigentliche Bewegung des Gewebes könnte er sonst nicht mehr erspüren.
PRAXISTIPP
Mit den Händen »sehen«
Es mag erstaunlich klingen, dass der Osteopath durch das gezielte Auflegen seiner Hand
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