Ostfriesengrab
mit einer großartigen Erfolgsmeldung nach Hause kommen würde. Dann
konnte er die Filetsteaks immer noch braten, und auch wenn ein Nachtmahl daraus werden würde, weidete er sich an der Vorstellung, dass dann endlich wieder Normalität ins Leben einkehren konnte. Eine Art Alltag.
Er kam sich vor, als würde er die Fehler, die Ann Kathrin gemacht hatte, ausmerzen und dadurch zu ihrer Rehabilitierung beitragen.
Eine Stunde später, als sein Rücken wehtat und sein rechter Fuß einschlief, fragte er sich, warum die holländischen Kollegen nicht endlich eingriffen. Er konnte das Gesülze von Meuling nicht länger ertragen. Während vor Wellers Augen Coq au vin zubereitet wurde, sagte Meuling gerade zu seinem neuen Opfer: »Ja, Birgitta, Luftschlösser zu bauen kostet nichts. Aber sie einzureißen kann sehr teuer werden.«
Sie seufzte, weil sie sich von ihm so verstanden fühlte, und sagte zum sechsten Mal an diesem Abend, ihr Ex habe sie ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Sie fühlte sich wund und missbraucht, und Meuling war nur zu bereit, ihr die Wunden zu lecken. Er versprach ihr, ihren Ex fertigzumachen, dann knisterte es. Die Kollegen schien das nicht zu interessieren, Weller sah ihre gelangweilten Blicke. Seine Ohrstöpsel schienen plötzlich zu glühen.
Der Kellner kam herein und holte zwei Portionen Coq au vin ab. Hinter ihm schwappte die Tür mehrfach auf und zu.
Weller löste sich von der Wand und sah, dass Meuling aufstand.
»Zugriff!«, forderte Weller. »Zugriff!«
Sein immer noch namenloser Kollege deutete Weller mit der linken Hand an, er solle sich beruhigen.
Schon war Hoofdinspecteur Heyker bei Weller.
»Wir müssen raus. Er hat das Mikro bemerkt.«
Heyker schüttelte den Kopf. »Keine Sorge, Herr Weller. Er ist vielleicht mit dem Knie darangekommen oder der Tisch hat
ein bisschen gewackelt. Diese Geräte sind sehr empfindlich, sie übertragen auch das leiseste Geräusch.«
»Der haut ab! Der hat Lunte gerochen!«
Weller hielt es nicht länger aus. Er wollte raus und sich Meuling schnappen. Er wusste nicht, ob er im Moment dabei war, alles zu versauen oder die ganze Situation zu retten.
»Meuling ist zur Toilette gegangen«, sagte Heyker. »Kein Grund zur Aufregung.«
»Warum nehmen wir ihn nicht fest? Was soll das alles hier überhaupt noch?«
»Das Gespräch hat keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass Meuling irgendeine Straftat in den Niederlanden im Schilde führt. Er ist auch nicht gewalttätig und macht keinen gefährlichen Eindruck. Im Gegenteil, es scheint sich um einen sehr sensiblen Mann zu handeln, mit viel Verständnis für … «
Weller schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ja, seid ihr denn völlig plemplem? Der zieht da nur eine Riesenshow ab! Das ist ein Betrüger, ein Killer, ein … «
»Unser Kollege van der Waal folgt ihm zur Toilette. Keine Sorge, er kann nicht durch die Fenster entwischen. Außerdem steht draußen jemand und … «
Wenige Sekunden später war der Hilferuf da. Van der Waal brüllte, als hätte ihm jemand den Arm abgerissen.
Jetzt stürmten alle gleichzeitig zur Toilette und rissen dabei die letzten Dessertteller zu Boden. Hinter Weller klirrte es.
Die Toilettentür öffnete sich und Kollege van der Waal stand aufrecht mit weit aufgerissenen Augen im Türrahmen. Aus seinem Solarplexus ragte der Schaft eines Steakmessers.
»Zijn wapen! Hij heeft zijn wapen!«
Birgitta kreischte am Tisch. In der Nähe der Tür wurde jemand ohnmächtig.
Meuling stieß van der Waal von hinten in den Rücken. Der Polizist brach zusammen und fiel in den Raum. Meuling fuchtelte
mit van der Waals Pistole herum. Ein Schuss löste sich. Glücklicherweise bohrte sich die Kugel in die Decke.
Dann standen Weller und Meuling sich gegenüber. Weller versperrte ihm den Durchgang zur Tür.
»Weg mit dir, du Drecksack, oder ich knall dich ab! Habt ihr immer noch nicht genug, ihr ostfriesischen Fischköpfe?«, kreischte Meuling. Er sah aus, als ob er kurz vor einem Kreislaufkollaps stünde. Sein Gesicht war hochrot, die Augäpfel traten hervor.
Ein japanischer Tourist hielt das alles für einen bewaffneten Raubüberfall und hielt bereitwillig seine Brieftasche hoch.
Meuling schob sich immer näher an Birgitta heran, dann schrie er: »Ich habe eine Geisel! Ich knall sie ab, wenn ihr mir zu nahe kommt! Lasst mich endlich in Ruhe!«
Ein Student aus Heidelberg spielte an der Tür den Helden. Er stellte Meuling ein Bein. Meuling strauchelte und fiel hin. Er
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