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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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erleichtert, es ausgesprochen zu haben.
    Heiner Zimmermann reagierte mit lauter, herausgestellter
Freude. Ann Kathrin war das fast ein bisschen zu groß und sie wusste nicht, worauf es hinauslief.
    »Na, herzlichen Glückwunsch, Frank! Endlich! Du wolltest Pirat werden! Wie schön! Erinnere dich daran, wie das war! Wollten wir es nicht beide? Weißt du noch, wie wir davon geträumt haben, unseren Mathelehrer, den Knocks … «
    » … den Haifischen zum Fraß vorzuwerfen«, vervollständigte Weller den Satz. Jetzt wirkte er auf Ann Kathrin wie ein vorpubertärer Flegel.
    »Ja, so habe ich manchmal überhaupt nur den Unterricht überlebt«, sagte Frank. »Ich hab mir vorgestellt, wie ich ihn zwinge, in der Unterhose das Deck zu schrubben. Später dann haben wir ihn über die Planken gehen lassen.«
    Heiner Zimmermann tänzelte von Weller weg und vollzog Fechtbewegungen, als würde er sich gerade auf einem Piratenschiff befinden und gegen die Soldaten des Königs antreten.
    »Du hast auch mal davon gesprochen, ihn am Großmast aufzuknüpfen und dort als Abschreckung baumeln zu lassen.«
    Frank erinnerte sich und nickte.
    Ann Kathrin brauchte jetzt Flüssigkeit. Sie nahm einen Schluck von dem Orangensaft.
    Heiner Zimmermann ließ mit schwungvoller Geste den Degen wieder in seine imaginäre Scheide zurücksausen und bewegte sich langsam, aber zielstrebig auf seinen Freund Frank Weller zu. Vor ihm ging er in die Knie, wie sich Musketiere im Film vor ihrem König verbeugen. Dann sagte er: »Jawohl, mein Bruder, genau so war es. Wir wollten Piraten werden und wohnen jetzt beide an der Küste.«
    Weller lachte.
    »Und weißt du, was geschehen ist, als du dieses Arschloch erschossen hast?«, fragte Heiner Zimmermann.
    Weller starrte seinen Freund an und schluckte.
    »Da hast du den Piraten in dir gelebt. Er war immer da, und in diesem Moment, da hat er zugeschlagen.«
    Ann Kathrin verstand nicht, was jetzt geschah. Sie sah es mit Entsetzen und gleichzeitig fühlte es sich richtig an. Die beiden Männer lagen sich wieder im Arm, so wie sie sich begrüßt hatten.
    »Und als du ihn ausgeknipst hast, da hast du über Knocks, das Schwein, gesiegt. Jetzt sind wir frei. Alle beide.«
    Weller konnte jetzt nicht sprechen, aber er war froh über den Körperkontakt.
    Ann Kathrin hielt die Situation nicht länger aus. Sie verließ leise den Raum. Etwas machte ihr Angst und gleichzeitig quälte sie die beißende Frage: Hätte ich auch jemanden, der so zu mir steht wie Heiner zu Frank? Würde Ulrike in dieser Situation nicht vielleicht einfach auf mir rumhacken? Heiner stellte das Töten eines Menschen als logische Entwicklung ihrer Kindheit dar, ja, als eine Art Befreiungsakt, etwas, das man halt verstehen musste. Es konnte doch gar nicht anders kommen.
    Als Kommissarin fand sie das unmöglich, aber sie war nicht nur Kommissarin. Es gab da noch etwas anderes in ihr. Eine große Sehnsucht danach, angenommen und verstanden zu werden. Solange man geradlinig und richtig seinen Weg ging, war es nicht schwer, Freunde zu haben. Niemand riskierte etwas dabei, einem auf die Schulter zu klopfen, solange man auf der Sonnenseite des Lebens spazieren ging. Aber was, wenn es mal anders kam, wenn man sich irrte, sich verrannte, vor den verfaulenden Trümmern der eigenen Taten stand und nicht mehr aus noch ein wusste?
    Voller Zorn dachte sie jetzt an ihren Ex Hero, der im letzten Drittel ihrer Ehe nicht einmal mehr Verständnis dafür gehabt hatte, wenn sie Überstunden machen musste.
    Sie ging hoch, in Heros ehemaliges Therapiezimmer. Sie sah mit einem flüchtigen Blick über die Aufzeichnungen vom Mord
an ihrem Vater. Sie nahm sein Bild vom Schreibtisch, setzte sich auf den Boden, mit dem Rücken an die Wand streckte sie die Beine aus und sah ihn an.
    »Du hättest genauso zu mir gehalten, Papa. Nur du. Sonst niemand. Auch Mama nicht«, sagte sie und ließ ihren Tränen freien Lauf.
     
    Ihre Haare waren rot, und das passte im Grunde gut zum Feuer. Er stellte sich vor, sie ihr hoch zu toupieren, sodass die Haare wie Flammen aus ihrem Kopf aufsteigen würden. Aber das Rot ihrer Haare gefiel ihm überhaupt nicht. Es war ein schmutziges, kupferfarbenes Rot. Henna und irgendeine billige Färbung darunter, vermutete er. Die Haaransätze waren schwarz sichtbar. Ihre Haarspitzen waren gesplisst.
    Nein, er würde sie vorher ganz umgestalten müssen. So war sie noch nicht reif.
    Am liebsten hätte er auch ihre Augenbrauen und Wimpern verlängert.
    Sie war ein

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