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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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werden wieder vertrauensselig werden. Welch ein Tag!«
    Er fuhr mit der Zunge über seine Zähne und beschloss, sich eine bleichende Zahncreme zu kaufen.
    »Jetzt kann ich mir das nächste Opfer wieder frei aussuchen. Und ich habe noch einige auf meiner Liste.«
    Er parkte zwei Ecken weiter und ging den Rest zum Haus des Professors zu Fuß. Niemand würde heute noch eine Verbindung zwischen seiner Person und Professor Diebold herstellen können. Vermutlich erinnerte sich der üble Kleckser selbst nicht mehr daran. Für ihn war er doch nur eine Nummer unter vielen gewesen.
    Meine Bilder waren für dich doch nur reine Wohnzimmerdekoration. Schlimm, wie der röhrende Hirsch über dem Sofa vor dem Wandschrank in Eiche rustikal. Ja, genau so hast du es ausgedrückt. Nett wie immer, mit einem Lächeln in deiner verlogenen Fresse.
    Als künstlerische Null hatte der Professor ihn bezeichnet und über seine Bilder nur gelacht. Sie seien inhaltsleer und ohne jede Aussage. Er, der mit Farbklecksereien und ungelenk hingeschmierten verunglückten geometrischen Formen öffentliche Gebäude schändete und dafür sorgte, dass es inzwischen Bürgerinitiativen gegen Kunst am Bau gab.
    Wirst du immer noch über meine Kunstwerke lachen, wenn du deine Tochter darauf erkennst, schreiend an den brennenden Pilsumer Leuchtturm gefesselt? Ich habe mich in ein paar deiner Seminare geschlichen und deinen intellektuellen Bankrotterklärungen gelauscht. Lächerlich, einfach lächerlich und peinlich zugleich. Nur noch übertroffen durch die künstlerischen Offenbarungseide deiner gemalten Ideenlosigkeiten.
    Hast du mein Talent nur nicht erkannt, weil du blind warst, worauf ja auch deine Bilder ein deutlicher Hinweis sind, oder hast du genau gespürt, dass dort ein neues malerisches Genie vor dir steht? Hast du Angst gekriegt, weil du wusstest, dass du platt wie eine Briefmarke an der Wand klebst, wenn ich meine erste große Ausstellung bekomme? Dass niemand mehr deinen Müll als Kunst bezeichnen wird? Hast du nur versucht, einen Konkurrenten auszuschalten? Bist du deshalb Professor geworden? Hast du deshalb all dieses Mittelmaß angenommen und sie zu deinen Meisterschülern erklärt, damit ja niemand dir deinen Platz streitig machte?
    Alles umsonst, Professorchen. Ich vollende, was Hieronymus begonnen hat. Und man wird mich in einem Atemzug nennen mit Dalí und Picasso, wenn schon kein Mensch mehr weiß, dass es dich mal gegeben hat.
    Wenn überhaupt, dann wird dein Name im Zusammenhang mit meinem Werk fallen. Dass deine Tochter die Ehre hatte, von mir zum Kunstwerk erhoben zu werden. Und dir gebührt nur die Schande, mich abgelehnt zu haben – warum auch immer.
    Du hättest mein Meister sein können. Vielleicht werden ein,
zwei von deinen Machwerken in Briefmarkengröße in meinem Katalog zu finden sein. Sei froh, dass sie nicht mehr Raum bekommen. Sie würden doch nur den Menschen dazu dienen, den Unterschied zu erkennen zwischen purer Aufgeblasenheit und schlichter Größe.
    Eine Frau trat aus dem Haus. Er konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Ja, das musste sie sein. Frau Professor Diebold.
    Wie können zwei so hässliche Menschen nur so eine schöne Tochter bekommen, dachte er und amüsierte sich darüber, weil die Frau genauso aussah, als ob sowohl ihr als auch ihrem Mann jeder Sinn für schöne Dinge fehlen würde.
    Ein Jackett in schwarz-weißem Pfeffer-und-Salz-Muster, ein taubenblauer Rock, braune Schuhe, vorne abgerundet, die Haare kurz geschnitten, schwarz mit ein paar hellen Strähnchen darin. Wäre ihre Brille noch ein bisschen größer gewesen, hätte sie gut als Fahrrad dienen können, so verdeckte sie einfach nur ihr dümmliches Gesicht.
    Aber die Tochter gefiel ihm. Sie war für ein paar Tage bei ihren Eltern zu Besuch und wohnte oben in ihrem alten Kinderzimmer, direkt unterm Dach. Über den Balkon wäre es ein Leichtes, in ihr Zimmer zu kommen, doch wahrscheinlich war das viel zu viel Aufwand und gar nicht nötig. Er wusste, wo sie sich herumtrieb. In der
Bar zur Talentlosigkeit
, wo sie mit all den Möchtegernkünstlern hockte, die von einer großen Karriere träumten statt davon, wirkliche Bilder zu malen. Maler würde keiner von denen werden, höchstens Anstreicher. Ein paar von ihnen würden später Zeitschriften herausgeben oder Direktoren von Kunstmuseen werden und dabei nur eine Aufgabe haben: die wahren Künstler herauszuhalten, weil sie die als Putsch empfanden gegen ihre eigene abgrundtiefe Erbärmlichkeit. Jede

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