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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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ungeschliffener Rohdiamant, und es gab noch viel zu tun, bevor aus ihr ein Kunstwerk werden würde.
    Er hatte sich für den Pilsumer Leuchtturm entschieden, knapp vier Kilometer südwestlich von Greetsiel auf dem Pilsumer Deich. Dort wollte er sie zur lebenden Fackel werden lassen. Irgendjemand hatte diesen Leuchtturm als Markenzeichen eintragen lassen und versuchte jetzt, all die Leute abzukassieren, die ein Bild des Leuchtturms verwendeten, auf Buchumschlägen oder auf Postkarten. Er war aber angeblich auch gegen eine Konditorei vorgegangen, die ihn aus Marzipan hatte herstellen wollen. Er hatte einen langen Bericht darüber im Ostfriesischen Kurier gelesen.
    Auf welche absurden Ideen manche Leute kommen, um Geld zu verdienen, dachte er. Wenn jetzt wirklich jeder an dich bezahlen muss, der diesen Leuchtturm fotografiert, dann wirst du
bald ein reicher Mann sein, denn dieser Leuchtturm wird bald nicht nur für Ostfrieslandtouristen von Bedeutung sein, sondern für die gesamte Welt. Er wird berühmt werden wie die Sixtinische Kapelle.
    Die Farben des Leuchtturms, Gelb-Rot, korrespondierten sehr schön mit dem Feuer. Alles passte. Gelb als Farbe des Lichts und der Lebenskraft. Weiß als Farbe der Unschuld wäre noch besser gewesen, aber er konnte den Leuchtturm schlecht neu streichen. Das Rot als drohende Warnung gefiel ihm. Er würde versuchen, ihre Haare in dem gleichen Rot zu färben wie die Ringe um den Leuchtturm.
    Aber es gab ein Problem, für das er noch keine Lösung hatte: Wie sollte er diesmal dabei sein? Natürlich brauchte er Fotos von dem Vorgang. Er musste das Happening doch irgendwie festhalten. Er konnte sich nicht auf verwackelte Touristenbildchen oder Polizeiaufnahmen verlassen. Wie lange würde es dauern, bis der brennende Leuchtturm die Menschen angelockt hatte? Bis die Polizei alles abriegelte und die Feuerwehr versuchte, sein Werk zunichtezumachen?
    Er würde sich irgendwo anbinden müssen, wie Odysseus, um den Verlockungen der Sirenen nicht zu verfallen. Einerseits würde er dies hier für alle Menschen inszenieren. Doch er selbst könnte nicht so einfach dabei sein wie auf der Fähre.
    Er beschloss, sich das Gelände noch einmal genau anzusehen. Er musste einen Punkt finden, von wo aus er alles gefahrlos beobachten konnte. Doch er fürchtete, dass es so einen Punkt in dieser flachen Gegend der Welt vielleicht gar nicht gab.
    Diesmal würde die Polizei dazugelernt haben. Immerhin, die Nacht bot ihm ein bisschen Deckung. Diesmal kein Sonnenaufgang. Diesmal würde er in der dunkelsten Stunde der Nacht zuschlagen.
    Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder würde jemand das Feuer sehen und die 112 anrufen oder die 110 . Über
die 112 käme eine Verbindung mit der Feuerwehrleitstelle in Aurich zustande. Dann würden die Feuerwehren aus Pewsum, Manslagt oder Greetsiel anrücken, was mindestens zehn, eher aber fünfzehn Minuten dauerte. Über den Polizeinotruf 110 würde tagsüber die Polizei aus Pewsum kommen, aber er hatte vor, nachts zu zündeln, und dann müssten die Beamten aus Norden anrücken. Selbst wenn sie ganz schnell waren, brauchten sie mindestens zwanzig Minuten, wenn sie aber unterbesetzt und mit weiteren Fällen beschäftigt waren, wie meistens, hätte er gut dreißig Minuten.
    Auf jeden Fall musste er zuerst mit der Feuerwehr rechnen. Vermutlich würde die Polizei in Norden selbst die Feuerwehr anrufen und zum Leuchtturm schicken. Bis sie alle die Lage voll erfasst hatten, blieb ihm eine knappe halbe Stunde, schätzte er. Dann würden auch Polizeikräfte aus Emden und Aurich gerufen werden. Aber um die Krummhörn abzusperren, konnten sie garantiert nicht genug Leute aufbieten.
    Trotzdem schien ihm die Sache zu unsicher. Er wollte so lange wie möglich zusehen. Vielleicht war es klug, Christina Diebold auf der Meeresseite anzubinden. So würde sie den Augen der Feuerwehrleute eine Weile verborgen bleiben. Es sah alles mehr nach einem Brand aus als nach einem Mord. Er selbst könnte die Engelsverbrennung vom Wasser aus beobachten und dann nach Greetsiel verschwinden oder nach Norddeich. Wer würde schon nachts die Nordsee nach ihm absuchen?
    Der Leuchtturm war dreizehn Meter hoch. Mit einem guten Teleobjektiv könnte er bestimmt ein paar eindrucksvolle Aufnahmen machen. Die einzige Lichtquelle wären die Flammen, und selbst wenn sie mit Autos anrückten und ihre scheußlichen Scheinwerfer jede mystische Atmosphäre zerstören würden, ihn störten vom Meer aus diese Lichter

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