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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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nicht. Der Deich würde ihn gegen diesen Mist abschirmen.
    Ja, die Nordsee war eine Alternative. Aber dann müsste er
Christina Diebold mit dem Auto zum Tatort bringen. Das war übers Meer zu kompliziert. Er konnte unmöglich seinen Wagen in der Nähe stehen lassen … Er sah sich vor schwierige Probleme gestellt.
    Seine Kunst wurde nicht staatlich subventioniert. Für ihn gab es keine Sponsorengelder. Ihm verlieh niemand schulterklopfend einen Preis. Für ihn setzten sich keine Makler, Agenten und Galeristen ein. Im Gegenteil. Er hatte den ganzen Apparat gegen sich. Aber umso triumphaler würde seine kompromisslose Kunst gefeiert werden.
    Sie werden mich für unzurechnungsfähig erklären, dachte er. Und das ist gut so. Später kann ich dann im Gefängnis sitzen und dort als berühmtester Maler der Welt meine Werke aus dem Gedächtnis malen. So werde ich selbst zum Kunstwerk werden, zum Symbol innerer Freiheit und Unabhängigkeit. Im Knast werden die bedeutendsten Werke entstehen, nicht in den Akademien und Universitäten!
    Er freute sich auf diese Zeit. Ein schönes Leben lag vor ihm. Er musste vorher nur noch ein paar Werke schaffen, die die Welt aufrüttelten.
    Er organisierte seine nächste spektakuläre Ausstellung. Zur Eröffnung gab es keine Einladungsbriefe. Keine Plakate. Die Kunst fand dort statt, wo er sie machte. Er entschied, wann, wo und wie, er war ein Guerillero der Malerei. Ein Genie des Schocks. Ein Virtuose des Albtraums. Er erfand immer neue Bezeichnungen für sich und seine Taten und sprach sie leise vor sich hin.
    Er gab einem imaginären Reporter ein Interview. Er musste das üben, denn bald schon würden sie ihn mit Mikrophonen und Kameras bestürmen.
    Er nannte den Reporter Mike. Er konnte ihn vor sich sehen, während er mit ihm sprach.
    »Sehen Sie, Mike, damit etwas Neues entsteht, muss immer
etwas Altes kaputtgehen. Das ist überall so. Schauen Sie sich um. Aus der Raupe wird der Schmetterling. Damit gutes Brot entsteht, müssen wunderschöne stolze Pflanzen, die sich der Sonnen entgegenrecken, gemäht werden. Die Ähren werden ihrer Körner beraubt. Die Körner werden zerkleinert. Gemahlen! Am Ende wird alles noch in einen heißen Ofen geschoben. Es sieht aus der Sicht der Pflanze bestimmt brutal aus. Es grenzt doch an ein Massaker. Aber trotzdem kommt wunderbar duftendes Brot dabei heraus. Lebensnotwendig. Energie spendend. Der beste Bäcker wird gelobt, weiter empfohlen und … schauen Sie mich nicht so an, Mike, als ob Sie nicht genau begreifen würden, worüber ich rede. Ja, nennen Sie mich verrückt. Meinetwegen. Aber ich habe den fiebrigen Glanz in Ihren Augen gesehen, als Sie meine Bilder angestarrt haben. Die Unterlippe ist Ihnen heruntergefallen. So haben Sie ausgesehen, Mike. So. Ja. Da staunen Sie, was?
    Wann haben Sie zum letzten Mal eine Ausstellung besucht? An welches Bild erinnern Sie sich? Und was haben Sie dabei gefühlt? Na, sehen Sie … Schon schwimmen Sie und Ihr Verstand kramt krampfhaft in Ihrer Erinnerung. Aber wenn Sie in zwanzig Jahren jemand nach meinen Bildern fragt, dann werden Sie sie sofort vor sich sehen. Sie werden jedem davon erzählen können. Von Ihren Gefühlen und Eindrücken. Das ist der Unterschied zwischen meiner Kunst und der üblichen Schmiererei. Meine Werke werden Sie nie vergessen. Meine Visionen verfolgen Sie in Ihren Träumen. Sie werden langsam zu Ihren eigenen. Irgendwann, Mike, wenn Sie mit Ihrer Frau schlafen, werden Sie sich dabei erwischen, dass Sie meine Bilder sehen, wenn Sie die Augen schließen. Und später werden Sie sie sogar sehen, wenn Sie die Augen offen halten. Weil meine Werke dann zu Ihrer inneren Bilderwelt gehören, dominant werden und den anderen, nichtssagenden Müll einfach beiseite schieben.
    Okay, Mike. Für heute müssen wir Schluss machen. Nein, keine Angst, ich rede nicht mit anderen Journalisten. Sie haben meine Geschichte exklusiv. Keine Frage, ich könnte Millionen dafür verlangen. Aber Geld interessiert mich nicht. Ich bin hier gut versorgt. Habe sozusagen ein staatliches Stipendium auf Lebenszeit. Sie nennen es Gefängnis. Ich nenne es die höchste Art der Freiheit. Alles was ich brauche, sind Leinwand und Farben. Auf Blut muss ich leider verzichten. Aber okkulte Werke entstehen auch so.
    Also, bis morgen, Mike. Jetzt muss ich arbeiten. Mein Tagwerk beginnt.«
     
    In ihm brodelte prickelnde Aufregung, während er sich ihr im Café Lenzig langsam von hinten näherte. Sie flipperte ohne Argwohn. Sie hatte

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