Ostfriesengrab
Bogdanski. Und da sie von ihrem aufreibenden Job beurlaubt war, konnte sie sich ganz der Frage widmen: Wer hat meinen Vater umgebracht?
Es blies ein scharfer Nordwestwind. Ann Kathrin ließ an der Fahrerseite die Scheibe herunter und hielt den Kopf schräg nach links, um so viel Wind wie möglich ins Gesicht zu bekommen. Das sollte ihr einen Spaziergang am Deich ersetzen. Der Wind wühlte in ihren Haaren und blies ihr den Verstand frei.
Sie fuhr zunächst über die B 72 von Norden nach Aurich, bog dann aber nicht in Richtung Polizeiinspektion ab, sondern auf die B 210 nach Wilhelmshaven.
Die russische Hure Natasha Sidorov ließ sich nicht mehr ausfindig machen. Sie war nach diversen Verstößen gegen das Meldegesetz abgeschoben worden. Aber Volker Bogdanski hatte eine Ehefrau. Ann Kathrin hoffte, durch sie mehr zu erfahren: Diwata Bogdanski, geborene Thangaiah, aus Koronadal auf den Philippinen.
Ann Kathrin stellte sich eine Frau vor, die voller Hass auf ihren Ehemann war. Vermutlich eine, die der reiche Mann aus Deutschland auf den Philippinen kennengelernt und mit Versprechungen verrückt gemacht hatte. Sie kannte einige solcher Biographien. Die Frauen glaubten an ein besseres Leben. Ihr zukünftiger Ehemann versprach, ihrer Familie Geld zu schicken oder gar, sie später nach Deutschland nachzuholen. Am Ende landeten viele dieser Frauen im Bordell.
Wie viele hatte Bogdanski für sich anschaffen lassen? Warum dann der Überfall? Verdiente er als Zuhälter nicht genug? Es gab einige Auffälligkeiten in Volker Bogdanskis Akte. Offiziell leitete er als Geschäftsführer einen Laden in der Wilhelmshavener Innenstadt und war Elternsprecher in der Schule seiner Kinder, hatte aber eine Zweitwohnung in Hamburg-Eimsbüttel und war dort als Zuhälter der Polizei bestens bekannt.
Seine Witwe arbeitete inzwischen als Krankenschwester im Reinhard-Nieter-Krankenhaus Wilhelmshaven in der Gynäkologiestation 14 . Er hinterließ drei Kinder. Einen vierzehnjährigen Sohn und zwei Töchter, sieben und fünf Jahre alt.
Frau Bogdanski wohnte in der Werftstraße, nicht weit von der Paffrather Straße entfernt, in der sich das Reinhard-Nieter-Krankenhaus befand. Ann Kathrin hatte sich überlegt, die Frau an ihrer Arbeitsstelle aufzusuchen, denn erfahrungsgemäß war es den Menschen unangenehm, wenn die Polizei an ihrem Arbeitsplatz auftauchte.
Ann Kathrin hatte sich einen Schlachtplan zurechtgelegt. Sie wollte nicht offiziell als Kripobeamtin in Erscheinung treten.
Das wäre im Moment weder für sie noch für Frau Bogdanski besonders günstig, dachte sie.
Während sie versuchte, vor dem Krankenhaus einen freien Parkplatz zu erwischen und schon die vierte Runde drehte, fragte sie sich, ob Meuling durch Natasha auf den Namen Sidorov als Geldeintreiber gekommen war, oder ob es Herrn Sidorov wirklich gab. Vielleicht hatte Natasha ja einen Bruder. Aber Ann Kathrin vermutete, dass niemand wirklich Geld eintrieb. Sidorov existierte nur als Bluff, um die Leute zu Zahlungen zu bewegen.
Jemand vom Ordnungsamt lief herum und verteilte Knöllchen. Ann Kathrin wurde nervös. Sie wollte sich jetzt nicht von der Parkplatzsituation behindern lassen, sondern endlich mit Frau Bogdanski sprechen.
»Sie können hier nicht stehen bleiben!«, rief der Mensch vom Ordnungsamt.
»Warum nicht?«, fragte Ann Kathrin. »Ich behindere hier niemanden.«
»Das ist aber kein vorgesehener Parkplatz, sondern der Grünstreifen.«
Ann Kathrin konnte ihre aufschäumende Wut kaum unterdrücken. »Wenn jemand so ein riesiges Krankenhaus baut, glauben Sie wirklich, dass der keine Ahnung davon hat, dass man auch Parkplätze braucht? Sie rennen hier rum und schreiben Leute auf, die garantiert andere Sorgen haben. Da will ein Papa zu seinem kranken Kind, eine Tochter zu ihrer herzkranken Mutter, und kaum kommen sie aus dem Krankenhaus heraus, winkt ihnen der Staat ein fröhliches Hallo mit einem Knöllchen zu. Das ist nicht die Unterstützung, die die Menschen in dem Moment brauchen. Hören Sie einfach auf mit dem Unsinn!«
»Aufhören? Das ist meine Arbeit!«
»Na und?«
»Na und, was soll ich Ihrer Meinung nach stattdessen tun?«
Der Mann mit dem Handcomputer, sah ein bisschen aus wie ein Fahrkartenkontrolleur der Bundesbahn.
»Etwas Sinnvolles!«, schlug Ann Kathrin ernsthaft vor und fuhr fort: »Man müsste die Leute bestrafen, die solche Fehlplanungen verursachen, und nicht die, die den Mist dann auszubaden haben. Glauben Sie, hier parkt jemand aus Jux und
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