Ostfriesengrab
kann ich ja gleich zumachen. Für eine Schmutzkampagne gegen unsere Kunden stehe ich nicht zur Verfügung.«
Weller räusperte sich. »Sie haben mich nicht richtig verstanden, gute Frau. Ich sagte, ich sei von der Mordkommission. Verena Glück wurde umgebracht. Und erzählen Sie mir jetzt bloß nicht, Sie hätten davon keine Ahnung gehabt. Sie haben es selbstverständlich in der Zeitung gelesen oder im Radio gehört. Egal, welchen Sender Sie einschalten, es läuft überall.«
Vera Winter nahm das Bild in die Hand und sah es sich in Ruhe an. Weller wusste genau, dass sie die Zeit nur nutzte, um nach einem Ausweg zu suchen.
»Ein gutes Mädchen«, sagte sie. »Aus ihr hätte was werden können. Aber sie war zu unentschlossen. Ich wollte sie schulen. Ein bisschen mehr Chic, ein bisschen mehr Charme … Aber sie wollte nur ab und zu ein paar Euro nebenbei verdienen. Um mehr ging es nicht für sie. Heutzutage muss man mit vollem Einsatz spielen. Etwas total wollen. Ehrgeiz entwickeln und … «
»Ich habe an Ihren philosophischen Ausführungen keinerlei Interesse«, unterbrach Weller sie hart. »Entweder ich bekomme jetzt den Namen und die Adresse Ihrer letzten Kunden oder ich nehme den ganzen Laden hier hopp.«
»Haben Sie einen Hausdurchsuchungsbefehl?«
Weller zog sein Handy aus der Jackentasche und klappte es auf. »Ja. In wenigen Minuten. Und als Erstes nehme ich Ihre schönen Computer da mit, dann können Sie Ihren feinen Damen freigeben. Dann können sie endlich das tun, was sie wirklich wollen … «
»Was wollen die denn wirklich?«
»Models werden. Sehen Sie das nicht? Glauben Sie, eine von denen hat ein Interesse daran, Briefe zu schreiben? Die sind
doch nur hier, um ihrem eigentlichen Berufswunsch ein Stückchen näher zu kommen, nämlich … «
Jetzt unterbrach Vera Winter Weller: »Ich weiß genau, was Sie denken. Ich kenne all diese Vorurteile. Bitte, lassen Sie mich damit in Ruhe, Herr Kommissar.«
»Gut. Okay. Das war die Retourkutsche. Können wir jetzt zur Sache kommen?«
Wenige Minuten später hielt Weller einen Ausdruck mit allen Terminen und Kunden von Verena Glück in der Hand. Die Adresse von Peter Kron fiel ihm sofort auf.
Frau Winter beugte sich von hinten über Weller und erklärte ihm die Liste. »Das ist der letzte Kunde. Greg Lee. Er ist für uns ein Neukunde. Vermutlich ist die Adresse falsch.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Würden Sie Ihre richtige Adresse angeben, wenn Sie vorhätten, eines unserer Mädchen umzubringen?«
»Darf ich mal Ihre Kontoauszüge sehen? Irgendwie muss der doch bezahlt haben. Gibt es Vorkasse?«
»Die Kunden zahlen an uns, und nach Abzug unserer Provision geht der Rest an die Mädchen weiter.«
»Na also«, atmete Weller auf, »dann kann der Weg zu ihm ja nicht mehr weit sein. Von welchem Konto wurde Ihnen das Geld geschickt?«
»Das ist hier hinten vermerkt. Es kam per Post. Tausendzweihundert Euro als Einschreibebrief.«
»Und da sind Sie nicht stutzig geworden?«, fragte Weller.
Sie schüttelte den Kopf. »Was meinen Sie, wie viele so bezahlen? Viele kommen hierher, schauen sich Bilder an, wollen einen Eindruck bekommen, ob wir ein seriöser Laden sind oder nicht. Die machen dann Termine aus und zahlen direkt. Bargeldloser Zahlungsverkehr, Herr Kommissar, das ist nur etwas für Leute, die ihrem Steuerberater zeigen wollen, wofür sie ihr Geld ausgegeben haben. Nichts für meine Kunden.«
Weller hakte sofort nach: »Der Brief. Ich brauche den Briefumschlag. Wo wurde er aufgegeben?«
»Keine Ahnung. Hat mich nicht interessiert. Der Briefumschlag ist mit Sicherheit längst im Müll gelandet. Unsere Papierkörbe werden täglich geleert. Wenn wir morgens anfangen, will ich ein sauberes Büro vorfinden. Wenn man das einmal einreißen lässt, müllt der Laden viel zu schnell zu. Und wir müssen mehr als alle anderen darauf achten, dass hier alles ordentlich aussieht und auch genauso zugeht.«
Weller knirschte mit den Zähnen. »Na danke. Hier läuft alles so gut, dass der Killer sich perfekt Nachschub besorgen konnte, ohne seine Tarnung zu verlieren.«
Weller stand auf. Hier länger zu bleiben war für ihn verlorene Zeit.
Plötzlich wurde Frau Winter kleinlaut. Sie folgte ihm zur Tür. »Was bedeutet das jetzt für uns, Herr Kommissar? Haben wir mit irgendwelchen Konsequenzen zu rechnen?«
»Ich fürchte nicht«, sagte Weller und wollte die Tür hinter sich zuknallen, aber sie hielt die Tür fest und griff seinen Ärmel. »Wir versuchen hier
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