OstfriesenKiller
Polizei höflich herein. Es stand kein Schrotgewehr hinter der Tür.
Nein, sein Sohn sei nicht zu Hause, sondern bei der Freundin in Hage. Trotzdem bat Ann Kathrin Klaasen, sich sein Zimmer ansehen zu dürfen. Es war eine Art Künstlerwerkstatt mit Schlafgelegenheit. Skizzenblöcke und Tapetenrollen lagen herum. Stifte, Farben, Spraydosen ohne Ende. Das Frisiamotiv hatte er hier vorher in allen Größen, Schriftarten und Farben ausprobiert, nur nicht gesprayt, sondern gezeichnet.
Rupert und Weller wussten nicht sofort, wonach Ann Kathrin Ausschau hielt. Glaubte sie, hier das Gewehr oder die Munition zu finden? Sie beteiligten sich an der Suche, obwohl Weller fand, so blöd könne doch wohl kein Mensch sein, in seinem eigenen Zimmer deutliche Hinweise auf einen Mord zu hinterlassen.
Aber Ann Kathrin Klaasen fand etwas anderes, das sie stutzig machte. Kai Uphoff sprayte nicht nur. Er malte auch mit Acrylfarben. Bilder von aufgeschlitzten Tieren. Schweinehälften am Haken. Messer, die Muskelfleisch durchtrennten.
Sein Vater stand ruhig im Raum und beobachtete die Kommissare. Er fragte nicht, ob sie einen Hausdurchsuchungsbeschluss hätten. So etwas konnten sie rasch beibringen. Er wollte kooperativ sein, und er wusste: Sein Sohn hatte Dreck am Stecken. Diese verfluchte Sprayerei.
Ohne gefragt worden zu sein, kommentierte er die Bilder: »Der Junge hat in den Ferien im Schlachthaus gearbeitet. Hat ihm nicht gutgetan. Er ist zu sensibel für so etwas. Eine Künstlerseele. Hat er wieder Mist gebaut? Gesprayt? Er hatte versprochen, damit aufzuhören. Aber das ist wie eine Sucht. Der braucht eine Therapie.«
Ann Kathrin Klaasen sah den besorgten Vater an. »Deshalb sind wir nicht hier. Kennen Sie Ulf Speicher?«
»Natürlich. Mein Sohn macht bei ihm Zivildienst.«
»Ulf Speicher ist ermordet worden.«
Herr Uphoff zuckte zurück, als sei eine Waffe auf ihn abgefeuert worden. »O mein Gott – aber Sie glauben doch nicht im Ernst …«
Rupert fand Fotos von einer nackten jungen Frau. Fünfzig, vielleicht hundert Aufnahmen. In allen Stellungen. Er schenkte den Bildern viel Aufmerksamkeit.
Herr Uphoff fing sich wieder. »Damit hat mein Sohn doch nichts zu tun. Mein Sohn und Herr Speicher konnten sehr gut miteinander. Kai hat nicht nur im Regenbogen für ihn gearbeitet, sondern er hat auch ganz legal für ihn gesprayt.«
»Wie soll ich mir das denn vorstellen?«
Herr Uphoff sagte es nicht ohne Stolz: »Er hat seine Garagentür gesprayt.«
Ann Kathrin Klaasen nickte. »John Lennon?«
»Ja, genau.«
Weller fand, dass sie genug gesehen hatten. Er sagte: »Aber den Rest fragen wir ihn lieber selbst. Wo, sagten Sie, ist er?«
»Bei seiner Freundin.«
Rupert zog das oberste Bild vom Stapel. »Ist die das?«
Herr Uphoff schien zu gefrieren.
Ann Kathrin fragte sich, was ihr Kollege sich dabei gedacht hatte. War er so unsensibel, oder sollte das hier eine besonders geschickte Befragung durch Provokation werden?
»Sie heißt Kira Sassmannshausen und wohnt in Hage.«
»Ich weiß«, sagte Rupert. »Hinten auf den Bildern ist ein Stempel mit ihrer Adresse. Wollten die damit Handel treiben oder was?«
Ann Kathrin wollte aus der Situation herauskommen. Sie verabschiedete sich von Herrn Uphoff und versiegelte die Tür zu Kais Zimmer. Sie bat ihn, nicht hineinzugehen und nichts anzurühren.
Als sie draußen vor der Tür standen, stellte sie fest, dass Rupert die Fotos noch in der Hand hielt.
Weller scherzte: »Die gefallen dir wohl, was?«
Rupert wollte ins Haus zurück und Herrn Uphoff die Bilder aushändigen, aber das fand Ann Kathrin nicht korrekt. Sie schlug vor, die Bilder der jungen Frau zu geben, die darauf abgebildet war. Gegen Quittung selbstverständlich.
Bei Kira Sassmannshausen in Hage war Kai Uphoff nicht mehr. Kira sah blass aus, als hätte sie lange nicht geschlafen und würde sich ungesund ernähren. Sie war eindeutig die junge Frau auf den Fotos. Auch sie wohnte noch bei ihren Eltern, und in deren Beisein behielt Rupert die Bilder lieber für sich. So viel Taktgefühl hatte er denn doch.
Ihre Mutter platzte mit der Wahrheit heraus. Herr Uphoff habe angerufen und wollte seinen Sohn sprechen. Eigentlich habe Kai bei Kira übernachten wollen, aber dann sei er gleich aufgebrochen. Nicht mal seine Schuhe habe er sich zugebunden.
Ann Kathrin Klaasen gab eine Großfahndung heraus. Weit konnte er noch nicht sein.
Eike Klaasen lag auf seinem Bett. Er ertrug es jetzt nicht, zugedeckt zu sein. Barfuß
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