OstfriesenKiller
fliegen.
In der Küche klingelte ihr Handy. Von dem Gedanken getrieben, Eike könne vielleicht versuchen, sie zu erreichen, zog sie eilends ihren Bademantel über und lief aus dem Bad in die Küche. Aber es war nur ihre eigene Mailbox. Sie hörte sie ab.
Während Wellers Stimme sie von Georg Kohlhammers Freilassung informierte, huschte draußen im Garten jemand vorbei. Es war nur ein Schatten. Ann Kathrin sah ihn aus den Augenwinkeln. Sie duckte sich und griff sich die erstbeste Waffe, die in ihr Blickfeld geriet. Sie zog das große Fleischermesser aus der Schublade mit den Küchenmessern heraus. Komm nur, dachte sie. Komm. Glaub ja nicht, dass du mich so einfach erledigen kannst.
Vom Küchenfenster aus konnte sie einen großen Teil des Gartens überblicken. Er war nach links gelaufen zu den blühenden Kirschbäumen. Dort konnte sie ihn aber nicht sehen.
Ann Kathrin lief gebückt, so dass ihr Gesicht nicht im Fenster erschien, ins Wohnzimmer, um von dort den Rest des Gartens in Augenschein nehmen zu können. Auch von hier aus war niemand zu sehen. Doch die Spuren im Gras waren frisch. Jemand schlich um ihr Haus herum.
Sie hätte sich ins oberste Stockwerk zurückziehen können, das war von außen nicht einsehbar. Doch sie wollte nicht fliehen, sondern sich dem Kampf stellen. Sie wollte endlich mal etwas für sich entscheiden. Jetzt und hier.
Sie hörte Schritte auf dem Kies. Er musste an der anderen Seite sein, vor der Garage.
Ann Kathrin huschte jetzt doch die Treppe hinauf. Die Westseite des Hauses. Nur da gab es Kies.
Da stand sie: Sylvia Kleine. Sie hatte ihr Fahrrad vor der Garage abgestellt.
Jetzt klingelte sie. Aber Ann Kathrin wollte nicht öffnen. Sie verhielt sich ruhig. Nein, sie hatte jetzt keine Lust, mit Sylvia zu reden. Sie wollte allein sein.
Sylvia Kleine guckte zum Fenster hoch. Ann Kathrin trat einen Schritt nach hinten. Sie hoffte, dass Sylvia sie nicht entdeckt hatte.
Sylvia sah verheult aus. Sie machte irgendwie einen völlig desperaten Eindruck.
Nein, Ann Kathrin hatte genug Probleme. Sie konnte sich jetzt nicht um Sylvia kümmern. Sie brauchte alle Energie für sich selbst.
Sie zog sich an und legte das Fleischermesser in die Schublade zurück.
Vielleicht hat sie mich doch gesehen, dachte Ann Kathrin. Jetzt sah sie, wie Sylvia mit hängendem Kopf auf ihrem Rad wegfuhr. Bestimmt ist sie beleidigt, weil ich nicht aufgemacht habe. Aber soll sie doch beleidigt sein. Sie muss sich daran gewöhnen, dass ich nicht immer und jederzeit für sie da bin.
Ann Kathrin brühte sich eine Instantsuppe auf. Sie fragte sich, warum Sylvia heimlich ums Haus schlich, durch die Fenster spähte und erst dann klingelte. Was sollte das?
Jutta Breuer wusste, dass sie das Haus nicht erbte. Dazu brauchte sie kein Testament von Ulf Speicher. Natürlich kam alles dem Regenbogen-Verein zugute. Das Haus und seine Lebensversicherung. Sie war nicht einmal sicher, ob er ihr seine geliebte Bibliothek überlassen würde.
Die Leiche war immer noch nicht freigegeben.
Die Beerdigung würde noch viel größer werden als die Demonstration am 1.Mai. Eine einzige gigantische Manifestation der Arbeit des Regenbogen-Vereins.
Jutta Breuer plante keine einzelne Beisetzung. O nein. Sie sollten alle gemeinsam beerdigt werden. Das würde die Nation aufwühlen. Die Tränen der Freunde und Verwandten. Nichts war überzeugender. Die hier hatten ihr Leben gelassen für die Behindertenarbeit. Jutta hatte vor, sie in den Status von Märtyrern zu erheben.
Das polizeiliche Siegel an der Tür war aufgebrochen, als Jutta die Tür zu Ulf Speichers Haus öffnete. Jemand war bereits vor ihr hier gewesen.
Sie war gekommen, um nach dem Rechten zu sehen. Vielleicht musste der Kühlschrank geleert werden. Sie wollte nicht, dass in der Wohnung irgendetwas schimmelte. Außerdem wollte sie ein paar private Dinge an sich nehmen. Ein Andenken an Ulf, Fotos von schönen gemeinsamen Stunden.
Das Testament musste sie vermutlich nicht suchen. Ordentlich, wie er war, lag es garantiert in seiner Schreibtischschublade. Sie wusste, dass er ein Testament gemacht hatte. Er war zu Lebzeiten offen mit so etwas umgegangen.
Zunächst glaubte sie, die Unordnung im Haus hätte die Polizei verursacht. Wahrscheinlich hatten die noch etwas gesucht. Spuren sichergestellt. Aber als Jutta Breuer in den oberen Zimmern das gleiche Chaos vorfand, wurde ihr ganz anders.
Hier musste ein Einbrecher im Haus gewesen sein. Sie fand aber keinen Hinweis dafür, dass
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