OstfriesenKiller
leid. Aber gleichzeitig war er auch irre wütend auf sie. Sie hatte alles drangesetzt, um das mit Pia kaputtzumachen. Manchmal war sie nichts weiter als die verzogene Göre reicher Leute, die sich daran gewöhnt hatte zu kriegen, was sie wollte. Und obendrein verlangte sie sogar noch einen Behindertenbonus. Sie pendelte zwischen schön, reich, begehrenswert und ihr-müsst-alle-Rücksicht-auf-mich-nehmen-weil-ich-doch-geistig-behin-dert-bin hin und her.
Manchmal kam sie Ludwig wirklich vor wie ein achtjähriges Mädchen, das in einem Erwachsenenkörper steckte. Dann wieder wie ein verdammt gerissenes Luder. Aber mit der Geheimagentengeschichte hatte er sie im Griff.
Jetzt hob sie ihren Kopf. Ganz langsam. Er kannte das schon. Ihre Pupillen waren merkwürdig verdreht, als würde sie schielen. Sie sah ihn von unten herauf an, ohne wirklich hochzugucken.
»Unser Auftrag ist so gut wie erledigt. Lass uns einfach abhauen, Liebster. Wir sind ganz kurz davor.« Sie zeigte mit den Fingern ein kleines Stückchen Weg an. »Du brauchst sie nicht mehr zur Tarnung.«
In dem Moment trat Pia durch die Tür ins Freie und blickte auf den Vater ihres Kindes. Sie schob den Bauch vor wie ein wichtiges Argument. Ludwig wusste, dass sich jetzt, in dieser Sekunde, für ihn viel entscheiden würde.
»Ludwig?!«, rief Pia, als würde sie daran zweifeln, dass seine Seele noch in seinem Körper steckte.
Ludwig nickte und ging zu Pia. Dann drehte er sich noch einmal um, zeigte auf Sylvia und gab ihr mit einem deutlichen Handzeichen zu verstehen, dass sie sich verziehen sollte.
Die Auseinandersetzung hatte von Ludwig mehr Kraft gefordert, als sein Redebeitrag auf der Tribüne. Sein Hemd war durchgeschwitzt. Jetzt saß er wieder hinter Pia und stützte ihr den Rücken. Aber er war nur körperlich anwesend. Er dachte nicht mit und machte alles falsch. Schon zum dritten Mal korrigierte die Trainerin seine Handstellung.
Aus der Ecke lästerte Frieder Groth: »Du bist wohl Akademiker, was? Wir Handwerker wissen, wie man richtig zupackt.«
Zustimmendes Gelächter war die Antwort.
Ludwig bemühte sich mitzulachen, um seine Position hier irgendwie halten zu können. Ihm fehlte jede innere Beteiligung. Er war ganz mit Sylvias Worten beschäftigt.
Plötzlich kam ihm ein ungeheurer Verdacht. Seine Hände begannen zu zittern. Er konnte nichts dagegen tun. Er versuchte, sie fest gegen Pias Rücken zu drücken. Nun zitterten auch noch seine Knie. Er wagte gar nicht, den Gedanken zu Ende zu denken.
Pia drehte sich zu ihm um: »Was ist los mit dir?«
»Das ist die Angst des Tormanns vorm Elfmeter!«, rief der Handwerker Groth aus seiner Ecke. Er hatte es offensichtlich auf Ludwig abgesehen. Er kannte ihn aus dem Fernsehen und hielt ihn für einen aufgeblasenen, scheinheiligen Fatzke. Seiner Frau gefiel Ludwig. Sie war stolz, dass sie so einen Mann in ihrer Geburtsvorbereitungsgruppe hatten. Das stimmte Groth noch missgünstiger.
Ludwig hatte das Gefühl, seine Jeans würde brennen und sein Hemd ebenfalls. Er konnte nicht länger hierbleiben. Er musste zu Sylvia. Er wusste nicht, wie er es Pia erklären sollte. Er bat sie einfach um Verständnis, und noch bevor sie ihm eine Antwort geben konnte, sprang er auf und rannte los. Er ließ sogar seine Lederjacke an der Garderobe hängen.
Pia lief ihm nicht hinterher. Sie sah ein, dass es keinen Sinn mehr hatte. Sie weinte vor Wut und Enttäuschung und schämte sich ihrer Tränen nicht. Während die anderen Frauen streng auf ihre Männer achteten, dass ja keiner auf die Idee kam, die Konkurrentin zu trösten, kam die Trainerin zu ihr und sagte so laut, dass es alle hören konnten: »Ich würde das nicht überbewerten. Männer lassen manchmal in solchen Dingen die Sensibilität vermissen. Bestimmt ist es ein wichtiger beruflicher Termin.«
»Jaja«, schluchzte Pia, »es ist immer alles wichtiger als wir zwei!« Dabei legte sie die Hände auf ihren Bauch.
Jetzt kniete sich die Trainerin zu Pia und sagte: »Manchmal drehen Männer einfach durch, kurz bevor sie Vater werden. Das ist eine große Umstellung für sie. Bis vor kurzem war es für die meisten das Schlimmste, was ihnen passieren konnte. Und dann ist es auf einmal so weit, und sie sollen sich freuen, Verantwortung zeigen und liebevolle Väter werden. Außerdem haben nicht nur Frauen hormonelle Probleme.«
Frieder Groth nutzte die Gelegenheit für einen neuen Scherz: »Ja, vielleicht kriegt der nur seine Tage!«
Aber damit kam er nicht gut an.
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