Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

steht. Sollte es irgendeine Presseerklärung von Ihnen geben, in der mein Mandant in Zusammenhang mit Kinderpornographie gebracht wird,und Sie wollen das mit diesen Fotos untermauern, dann werde ich dafür sorgen, dass Ihre Karriere im Polizeidienst beendet ist. Kapiert? Ich nehme das ganz persönlich, ich mach Sie persönlich dafür verantwortlich, nicht irgendeine anonyme Behörde.«
    Sie nahm die Fotos in die Hand und spielte damit. Sie drehte sie auf den Kopf und sah sie sich erneut an, so als würde sie noch irgendetwas Verborgenes darin suchen. Dann stellte sie sich mit zwei der Fotos wieder vor die Scheibe, sodass die Männer dahinter die Bilder sehen mussten.
    »Das hier ist keine Kinderpornographie, das sind nicht einmal erotische Aufnahmen. Wir sehen hier lachende, fröhliche, spielende Menschen, die sich unverklemmt in freier Natur bewegen. Gerade hier in Ostfriesland hat die Freikörperkultur doch viele Fans. Wollen Sie die tatsächlich kriminalisieren? Wollen Sie den Nacktbadestrand auf Norderney jetzt schließen?«
    Es durchfuhr Weller wie ein Blitz, denn er konnte sie dabei ansehen, und er flüsterte leise zu Ubbo Heide: »Die war dabei. Die weiß genau, dass das auf Norderney ist. Die gehörte mit zu dem Verein.«
    Dann drehte Frau Dr. Schmidt-Liechner sich um und ging verbal auf Ann Kathrin los, indem sie mit freundlichem, ja verständnisvollem Ton begann: »Sehen Sie, Frau Kommissarin, nicht alle Menschen sind so verklemmt und spießig erzogen worden wie Sie. Das Einzige, was man aus Ihren Verdächtigungen entnehmen kann, ist, dass Sie ein sehr gestörtes Verhältnis zu Ihrem eigenen Körper und zu Ihrer Sexualität haben. Vielleicht sollten Sie therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Sexualität und Nacktheit sind etwas ganz Normales und gehören zum menschlichen Leben dazu. Wir befinden uns doch nicht mehr im Mittelalter. Haben Sie Kinder?«
    »Das geht Sie gar nichts an«, fauchte Ann Kathrin. »Es geht hier nicht um mich, es geht darum, ob Herr Dr. Ollenhauer und seine Helfershelfer Kinder in ihre Gewalt gebracht haben, um sie dann …«
    Ann Kathrin zuckte zusammen. Sie schoss übers Ziel hinaus. Sie schluckte und kämpfte gegen ihre Wut an.
    Mach jetzt keinen Mist, Ann, dachte Weller und legte seine linke Hand gegen die Scheibe, als ob er ihr dadurch gute Energie schicken könnte.
    Ubbo Heide stupste ihn an, denn er wusste nicht, ob man die Hand von innen vielleicht doch sehen konnte, und sei es nur als Wärmefleck.
    Die Anwältin lächelte. Sie fühlte sich schon auf der Gewinnerstraße. »Also, ich habe jedenfalls einen Sohn, und ich gehe mit ihm zusammen in die Badewanne. Ich zeige ihm, dass sein Körper in Ordnung ist und meiner auch. Solche Fotos hätten Sie also gut auch von mir und meinem Kind machen können. Bin ich jetzt deswegen verdächtig? Wird es heute Abend im Ocean Wave eine Razzia geben? Wollen Sie dann alle Nackten verhaften, weil das gegen Ihre Spießermoral verstößt? Mein Gott, Frau Kommissarin, wenn Sie wüssten, wie lächerlich Sie sind.«
    Ann Kathrin tat Weller leid. Er spürte es wie einen Schmerz in sich, als würde jemand eine Faust in seinen Solarplexus drücken.
    »Welch ein gerissenes Luder«, zischte Ubbo Heide, der nicht fassen konnte, dass Ann Kathrin sich so leicht fertigmachen ließ.
    »Ich würde ja gerne mit Ihnen weiter soziologische Fragen der Sexualmoral diskutieren«, sagte Ann Kathrin, »aber ich fürchte, darum geht es hier nicht. Dies ist hier kein Volkshochschulkurs zum Thema Sexualerziehung. Es geht um Mord. Möglicherweise um Kindesmissbrauch und um Bandenbildung. Diese drei Kinder hier werden vermisst: Jule Freytag, Kevin Becker und Larissa Kuhl. Eine davon, Jule Freytag, haben wir als ausgestopfte Leiche im Uplengener Moor gefunden. Alle drei wurden von Dr. Ollenhauers Stiftung betreut. Die Jugendlichen waren in gewisser Weise von ihm und den anderen Leuten wie Nils Renken und Frau Dr. Hildegard emotional abhängig. Statt in Heimen oder bei Pflegefamilien zu bleiben, wurde ihnen ein geradezu abenteuerliches Leben geboten.«
    Ubbo Heide fand es sehr geschickt, wie Ann Kathrin den Namen von Frau Dr. Hildegard einfließen ließ. Da niemand widersprach, schien Ruperts Behauptung, sie an ihrem Hintern erkannt zu haben, immer deutlicher verifiziert zu werden.
    Rupert tat das gut. Er stupste Ubbo Heide an und dann Weller. »Die Hildegard. Habt ihr’s gehört?«
    Ollenhauer hielt es nicht länger aus. Er war ein viel zu wortgewandter Mann, der