Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
es gewöhnt war, öffentlich Reden zu halten, als dass er es noch länger geschafft hätte, den Mund zu halten und seiner Anwältin allein das Rederecht einzuräumen. Das hier lief aus seiner Sicht in die völlig falsche Richtung, und er glaubte, er könnte das Rad herumreißen. Es platzte aus ihm heraus. Viel zu lange schon hatte er geschwiegen.
»Sie glauben, ich stehe auf kleine Jungs oder kleine Mädchen oder auf beides? Mein Gott, so wollen Sie meine ehrenamtliche Arbeit in den Dreck ziehen? Für einen Bruchteil von dem Geld hätte ich viermal im Jahr nach Thailand fliegen können, um mir dort so viele Kinder zu kaufen, wie ich nur möchte. Dort kriegen Sie Zehn- und Zwölfjährige am Straßenrand. Dazu muss ich doch hier nicht zusammen mit vielen anderen Honoratioren eine Gesellschaft gründen und unter den wachsamen Augen der Öffentlichkeit schwierige Jugendliche betreuen, die andere längst aufgegeben haben! Können Sie sich überhaupt vorstellen, welchen Schaden Sie mit Ihren Ermittlungen anrichten? Wenn wir aufhören, wem soll das denn dann nutzen? Ein paar Jahre später wird es noch mehr Kriminelle geben, mindestens die Hälfte von denen hatte eine kriminelle Karriere schon begonnen oder vor der Nase!«
Rupert nickte fast anerkennend: »Was für ein Schmus! Dieser Chirurg ist ein gottverdammter Aufschneider.«
Frau Dr. Schmidt-Liechner versuchte, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Sie nahm den Ball von Dr. Ollenhauer auf und spielte ihn zurück. Sie sprach scheinbar nicht zu Ann Kathrin, sondern zu ihrem Mandanten.
»So ist das heute«, sagte sie gespielt resigniert, »Menschen wie unsere Frau Kommissarin, die es immer nur mit dem sozialen Bodensatz unserer Gesellschaft zu tun haben, können hinter allem, was geschieht, nichts anderes mehr sehen als den bösartigen Ansatz, das Verbrechen, die Intrige. Psychologisch gesehen ist das im Grunde ein Krankheitsbild. Wenn es sich dann auch noch mit verklemmter Sexualität paart, werden gerade die Menschen, die einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft leisten, kriminalisiert.«
»Was für eine Kanaille!«, fluchte Weller.
»Die muss nur mal einer richtig flachlegen, dann geht’s der auch besser«, sagte Rupert, und es klang, als sei es nicht irgendein Spruch, sondern eine tiefe Erkenntnis, die er gerade in diesem Moment hatte.
Weller dachte: Ein Glück, dass Ann Kathrin das nicht gehört hat …
Oh, wie niedlich! Wie friedlich du in deinem Bettchen liegst!
Dieser rosafarbene Schnuller ist doch viel zu groß für deinen kleinen Mund. Du kannst daran ersticken, wenn du ihn einsaugst.
Wovon träumst du, meine Kleine? Warum rührst du mit den Fingern in der Luft herum, als wolltest du etwas ertasten? Suchst du mich? Weißt du schon, dass ich in deiner Nähe bin, obwohl du schläfst?
Hier, das ist meine Nase! Willst du sie fühlen?
Aua, nicht, das tut doch weh!
Diese süßen, kleinen Händchen … Deine Fingernägel sind viel zu lang. Hat sie dir keiner geschnitten? Keine Sorge, das werde ich in Zukunft tun, sonst kratzt du dich noch und tust dir weh damit.
Was ist deine Mama nur für eine Rabenmutter? Du kannst dich doch verletzen mit den Fingernägeln. Hier ist ja schon ein kleiner Kratzer am Hals. Deine schöne Haut …
Sobald wir zu Hause sind, kürze ich dir die Nägel. Dir und deiner Schwester. Ab jetzt sind wir immer zusammen. Eine richtige Familie …
Oh, wir müssen uns beeilen. Hörst du? Das Rauschen hat aufgehört. Deine große Schwester duscht nicht länger. Bevor sie uns erwischt, müssen wir weg sein.
Ich nehme das Fläschchen von dir mit und die Packung Milumil, damit können die sowieso nichts anfangen.
Ach, den Fencheltee nehme ich auch. Den trinke ich selbst ganz gern.
Oh, hab ich dich geweckt? Das tut mir leid, meine Kleine. Aber du musst jetzt ganz still sein. Keine Angst, ich halte dir nur den Mund zu, damit du uns nicht verrätst.
Es regnet draußen. Erschrick nicht, meine Kleine. Wir müssen jetzt ganz schnell laufen, aber bald sind wir in der guten Stube.
Die Dampfschwaden zogen aus dem Badezimmer in den Flur. Weil sie vor dem beschlagenen Spiegel im Bad nichts mehr sehen konnte, trocknete Lucy sich im Flur weiter ab, und hier wollte sie sich auch zurechtmachen.
Dann fiel ihr Blick fiel auf ihr Handy. Es war kein entgangener Anruf auf dem Display erkennbar. Das Handy lag auf dem Schuhschrank und war am Ladekabel angeschlossen.
Mit kleinen Pflasterstreifen hatte sie sich die verletzten
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