Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
dann fuhr sie in die Taubenstraße und parkte vor der Pathologie. So merkwürdig sich das vielleicht für andere Menschen anhörte, sie freute sich auf den Putztag. Sie liebte es, Ordnung zu schaffen und die Dinge klinisch sauber zu halten. Sie konnte dabei ihren Gedanken nachhängen und tief in sich selbst versinken.
Beate folgte ihrer Konkurrentin zur Arbeitsstelle. Jetzt weiß ich auch, womit du dein Geld verdienst, du kleine Schlampe, dachte sie und fragte sich, wie lange die Beziehung ihres Mannes zu dieser Frau wohl schon andauerte. Manchmal, wenn er nach Hause kam, hatte er diesen merkwürdigen Leichengeruch an sich. Sie hatte nie verstanden, woher das kam. Jetzt begriff sie: Es war der Duft der anderen Frau.
Beate erinnerte sich an den Satz ihrer Freundin: »Schick deinen Mann zu mir.«
Sie wurde es einfach nicht los. Manchmal hörte sie Silke diese Worte aussprechen, obwohl sie alleine im Raum war. Sie fuhr dann herum, sah sich um und suchte ihre Freundin, fand sie aber nicht. Hatte die Reiki-Meisterin recht? War jeder Mensch nur auf der Suche nach Liebe und Anerkennung? Rupert auch? Gab sie ihm nicht genug davon? Konnte sie ihm helfen, seine universelle Lebensenergie fließen zu lassen? Würde diese Krise ihre Beziehung am Ende auf eine neue, bessere Ebene heben?
Sie hatte sich eine App heruntergeladen, mit der zu jeder Autonummer der Halter plus Adresse ermittelt werden konnte.
Beate versprach sich selbst, dieser Frau das Leben zur Hölle zu machen. Und dann werde ich dafür sorgen, dass mein Rupert dich verlässt, und aus ihm werde ich einen glücklichen Menschen machen, dachte sie. Ich werde den ersten Reiki-Grad erwerben, um die Energien zwischen uns beiden wieder richtig fließen zu lassen.
Sie hatte einen Termin bei ihrer Freundin, und sie freute sich darauf, wie sie sich als kleines Mädchen auf Sahnebonbons gefreut hatte.
Gerade im Wohnwagen hatte alles für Lucy noch so richtig und klar geklungen. Ja, genauso wollten sie es machen. Sie würde mit der Tasche losfahren und dann mit dem Geld ganz einfach verschwinden. Sie hatte ein Recht auf ein eigenes Leben. Ja, selbst die Zwillinge waren ihr inzwischen etwas schuldig.
Jetzt geht es mal um mich, dachte sie, und Benne liebt mich wirklich. Auf seine irre, besitzergreifende Art.
Aber als sie auf das Haus im Muschelweg zuging, war plötzlich alles gar nicht mehr so klar für sie. Was würde aus den Zwillingen werden, wenn sie mit dem Lösegeld durchbrannte? War sie daran schuld, wenn der Entführer den Kindern etwas antat?
Noch immer stand für sie fest, dass Thomas Schacht die Kinder hatte. Er würde ihnen nichts tun, aber sehr rasch begreifen, dass Lucy ihn hereingelegt hatte. Und ab dann würde er sie jagen, das stand ja wohl fest. Der war ein zäher, geldgieriger Hund, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Dem würde es eine Riesenfreude bereiten, seine ungeliebte Stieftochter, die ihm sowieso nur im Weg war und schon durch ihr Aussehen ständig an den Exmann seiner Frau erinnerte, fertigzumachen.
Lucy war unsicher, in welche Situation sie jetzt zu Hause hineingeraten würde. Hatte man sich Sorgen um sie gemacht? Waren alle wütend auf sie, weil sie mal wieder eine Nacht weggeblieben war? Hasste ihre Mutter sie, weil sie schuld daran war, dass nun auch Ina entführt worden war? Würde man wieder alles ihr anlasten, wie bei jeder misslungenen Weihnachtsfeier und jedem aus dem Ruder gelaufenen Familienfest?
Eigentlich ging sie jetzt nur nach Hause zurück, weil Benne es von ihr verlangt hatte.
Nie tue ich etwas aus mir selbst heraus, dachte sie und fühlte sich schlecht deswegen. Immer werde ich von anderen zu etwas getrieben oder bestimmt. Ich suche mir nicht mal meine Hobbys selber aus oder die Musikgruppen, die ich gerne höre. Auch das kommt immer von Leuten, denen ich gerne gefallen möchte, oder die glauben, sie hätten mir was zu sagen.
Wer bin ich überhaupt, verdammt nochmal? Wer wäre ich ohne meine Eltern, ohne meine Freunde? Wenn ich in einer anderen Familie groß geworden wäre, würde ich mich dann für Tennis interessieren? Wäre ich in einer Jazztanzgruppe oder als Funkenmariechen in Köln? Würde ich den Karnevalsprinzen anschmachten oder in der Schule darum kämpfen, Klassenbeste zu werden? Was haben meine Gene aus mir gemacht und was die Leute, mit denen ich aufgewachsen bin?
Sie klopfte, und ihr Herz raste.
Ann Kathrin Klaasen fuhr auf der Cloppenburger Straße in Richtung Wardenburg. Immer wenn sie in Gedanken
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