Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Zitronen und Äpfeln. Die Waschmaschine rumpelte. Lediglich ein paar Fußspuren auf der Treppe verrieten noch, dass er im Watt gewesen war.
Gundula hatte eine schreckliche Nacht hinter sich, voller Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen.
Mein ganzes Leben geht den Bach runter, dachte sie. Sie wollte nur noch aus diesem Alptraum erwachen und wusste doch, dass es keiner war. Das alles passierte jetzt. Ganz real. In Ostfriesland, während andere Urlaub machten und sich von ihrem Berufsalltag erholten.
Gundula pustete über ihren Kaffee, der viel zu heiß war. Die Oberfläche kräuselte sich.
Sie musste an die Sandburg denken, die sie vor Jahren mit Lucy auf Juist gebaut hatte, in dem letzten schönen Urlaub mit Wolfgang, als es noch so aussah, als würden sie ihr Leben und ihre Ehe in den Griff kriegen. Als er für kurze Zeit stärker war als der Alkohol.
Sie hatten bei Ebbe begonnen und mit nassem Sand wunderschöne Türme und Befestigungsmauern gebaut. Lucy strahlte vor Glück und zitterte vor Aufregung, als die Möwenfeder auf dem höchsten Turm im Wind flatterte.
Aber dann kam unaufhaltsam das Meer wieder. Die Wellen leckten an den Mauern der Burg und ließen sie schließlich einstürzen.
Lucy stand weinend daneben. Gundula konnte das Kind nicht trösten. Immer wieder hatte sie ihr gesagt, sie könne doch das Meer nicht aufhalten. Aber Lucy war wütend auf das Meer und auf ihre Mutter, die nicht in der Lage war, die Flut zu stoppen.
Thomas Schacht kämmte sich mit beiden Händen die Haare nach hinten. Er hatte sich auf eine beängstigende Weise verändert. Sie spürte es genau. Er hatte Wolfgang nicht nur getötet, oh nein. Er hatte es genossen.
Und ich bin schuld, sagte sie sich. Ich ganz allein. Ich habe das Treffen arrangiert. Wolfgang wäre nie zu einem Termin mit Thomas gefahren und schon gar nicht auf einen einsamen Parkplatz.
Er hatte versprochen, es notfalls aus ihm herauszuprügeln und dann mit den Kindern wiederzukommen. Sie hatte ihm von Anfang an nicht wirklich geglaubt, das wusste sie jetzt. Aber was hätte sie denn tun sollen? Sie wollte sich später nicht vorwerfen lassen, sie hätte irgendetwas nicht versucht, auch nur eine Chance nicht genutzt.
»Der«, sagte Thomas Schacht, »belästigt uns nie wieder …«
»Die Polizei wird dich suchen.«
»Nicht, wenn du sagst, ich sei die ganze Zeit bei dir gewesen.«
»Sie werden mir nicht glauben.«
»Dann steht Aussage gegen Aussage.«
Thomas Schacht goss sich aus der Thermoskanne ein. Der Kaffee dampfte, doch er trank die Tasse mit einem Zug leer, als wäre kein Heißgetränk drin, sondern kühles Leitungswasser.
Sein Kinn kam ihr kantiger vor. Das ganze Gesicht markanter. Sein Blick hatte etwas Raubtierhaftes bekommen. Sie spürte Stolz in seiner Haltung. Er war gefährlich und auf eine verstörende Weise sexuell attraktiv.
»Er hat unsere Kinder also nicht«, folgerte sie.
»Er behauptet, es seien gar nicht unsere Kinder.«
»Das hat er gesagt, um dich zu verletzen.«
Thomas Schacht grinste. »Ich hab’s jedenfalls überlebt. Er nicht. Die Polizei wird denken, dass sein Komplize ihn getötet hat. Die sollen unsere Kinder suchen!«
»Sie werden dich lebenslänglich einsperren.«
Er lachte höhnisch auf. »Einen Scheiß werden die! Als nächstes knöpf ich mir seine Tussi vor, und die wird uns sagen, wo die Kinder sind, das verspreche ich dir. Alles wird gut. Noch im Laufe dieses Tages.«
Er langte über den Tisch und wollte ihr Gesicht streicheln, doch sie wich zurück, als hätte er versucht, ihr eine Ohrfeige zu geben.
»Ist der Bulle noch da?«, fragte er, und es klang eifersüchtig.
Sie nickte und deutete mit einem Blick zur Decke an, dass Weller sich oben befand. Es tat ihr gut, dass er jetzt in ihrer Nähe war.
»Er ist Lucys Onkel. Vergiss das nicht.«
Abfällig spuckte Schacht den Namen aus. »Ja. Onkel Philipp.«
»Nicht, dass du dich verplapperst.«
Wut wallte in ihm auf, die er kaum in den Griff bekam. Am liebsten hätte er etwas zerschlagen. Er erinnerte sie jetzt an ihren Exmann Wolfgang in seinen schlimmsten Zeiten, wenn eine Kleinigkeit in der Lage war, ihn ausrasten zu lassen.
»Und wenn er mitbekommen hat, dass du die halbe Nacht nicht da warst?«, fragte sie, als würde sie einen Trumpf auf den Tisch legen.
»Ja, hat er das? Vielleicht pennt er auch die ganze Zeit oder zieht sich Pornos rein oder was weiß ich, was der so für Hobbys hat … Hast du ihm Frühstück gemacht?«
Sie schüttelte den Kopf und
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