Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
blickte zur Uhr. »Er hat gesagt, er kommt zum Frühstück runter.«
Es war kurz vor zehn, und sie sagte es nur, um ihm klarzumachen, dass sie jeden Moment mit männlicher Verstärkung rechnete.
Aber er amüsierte sich. »Penner! Schöne Grüße an den lieben Onkel. Ich hol jetzt meine Kinder, und danach kann er sich verziehen, und ich will ihn hier nie wiedersehen!«
»Du willst dir jetzt Wolfgangs Freundin holen?«
»Nein, meine Kinder!«
»Einer von uns muss nach Gelsenkirchen und das Geld von Tante Mia besorgen. Sie gibt es uns. Aber sie kann es natürlich nicht vorbeibringen. Und das mit den Banküberweisungen ist furchtbar kompliziert. Jedenfalls kriegt sie es nicht mehr geregelt.«
Er verdrehte die Augen. »Kompliziert! Im Zeitalter des Homebankings!«
»Mein Gott, sie ist zweiundsiebzig!«
»Und ich soll jetzt nach Gelsenkirchen?«
»Ich kann nicht fahren.« Sie streckte die rechte Hand aus, um ihm zu zeigen, wie sehr sie zitterte. Zu ihrer eigenen Verwunderung war ihre Hand aber völlig ruhig.
»Es wird kein Erpresseranruf mehr kommen. Da, wo dein Wolfgang jetzt ist, gibt es kein Telefon.«
In dem Augenblick meldete sich Lucys Handy. Thomas Schacht und Gundula Müller starrten es an. Noch bevor sie sich entschieden hatten, wer von ihnen drangehen sollte, tapste Weller die Treppe herunter.
Charlie Thiekötter hatte das Handy so eingestellt, dass automatisch jedes Gespräch in Aurich mitgeschnitten wurde, und sowohl Weller als auch die Einsatzzentrale hörten zeitgleich mit.
Wellers Beine erschienen auf der Treppe. Er war barfuß. Sein Oberkörper noch nicht zu sehen. In dem Augenblick griffen Thomas Schacht und Gundula Müller gleichzeitig zum Telefon.
Schacht war schneller. »Ja, mit wem spreche ich?«
»Wer sind Sie? Onkel Philipp?«
Schacht wunderte sich und war einen Augenblick so verblüfft, dass er gar nicht antworten konnte. Er hatte vermutet, eine weibliche Stimme zu hören. Er glaubte, Angela Riemann würde jetzt versuchen, das Geld abzuziehen, um dann zu verschwinden. Mit einer männlichen Stimme hatte er nicht gerechnet.
»Mein Name ist Thomas Schacht. Sind Sie der Mann, der meine Kinder hat?«
»Ja. Machen Sie sich keine Sorgen. Es geht Ihren Kindern gut. Aber meine Geduld ist bald zu Ende. Haben Sie das Geld?«
Mit großen Augen sah Schacht Gundula an. Ratlos hob und senkte er die Schultern.
Jetzt stand Weller bei ihnen am Tisch und gestikulierte. Ohne einen Ton von sich zu geben, sagte er immer wieder: »Hinhalten! Hinhalten!«
Am liebsten hätte Weller selbst mit dem Entführer gesprochen. So war es eigentlich auch vereinbart gewesen. Aber hier hielt sich nie jemand an Absprachen, das hatte Weller inzwischen lernen müssen.
»Das Geld liegt bereit. Wir haben es nur noch nicht. Ich muss es aus Gelsenkirchen holen. Wenn Sie mir Ihre Kontonummer geben, überweise ich es Ihnen aber sofort.«
»Verarschen kann ich mich alleine!«
Schacht wurde klar, was für einen Mist er da gerade erzählt hatte, und er entschuldigte sich sogar dafür.
»Verzeihung, aber ich bin sehr nervös. Schließlich werden einem nicht alle Tage die Kinder entführt. Wir halten uns ganz an Ihre Anweisungen.«
Gundula ging vom Küchentisch ein paar Meter zurück bis zur Wand und lehnte sich an. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah sich Thomas genau an. Wie schnell er zusammengebrochen war … Wie schnell aus dem kämpferischen Helden ein kleiner Junge geworden war, der um Mamis Gunst bettelte …
Seine unterwürfige Art machte sie rasend. Da mochte sie den aggressiven Draufgänger lieber.
Weller gab sich jetzt keine Mühe mehr, leise und unbemerkt zu bleiben. Er verlangte offen das Handy. »Geben Sie es mir, verdammt! Geben Sie es mir!«
Rupert war schon unterwegs von Oldenburg nach Aurich. Er sang auf der Autobahn: » Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern … «
Er fand seine Stimme großartig. Sie würden ihn im Norddeicher Shantychor nehmen. Da gehörte er einfach hin! Es gab noch ein paar Lieder, da war er nicht ganz textsicher. »Rolling home« hatte er vollständig drauf, aber bei »Wo de Nordseewellen trecken an de Strand«, da vergaß er immer wieder ein paar Zeilen, nur der Refrain saß.
Frauke frühstückte noch in Ruhe. Der Apfelkuchen hatte ihr noch lange nicht gereicht. Sie konnte über Diäten nur lachen. Joggen war nichts für sie. Guter Sex war das Einzige, das sie für die schlanke Linie brauchte.
Sie nahm noch einen Tee und ein bisschen von dem Obst,
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