Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
neben dir und hört zu?«
»Nein, Ann. Entschuldige. Ich wollte nicht so mit dir reden.«
»Ubbo, wenn wir das Spiel nach seinen Regeln und Vorgaben spielen, wird er gewinnen.«
Seine Stimme war nur noch ein dünner Hauch. »Das Ganze ist alternativlos.«
»Alternativlos?«, schimpfte Ann Kathrin. »Du redest wie ein Politiker, der uns über den Tisch ziehen will!«
Ubbo sagte nichts mehr, deshalb fuhr sie, aus Angst, ihn verletzt zu haben, versöhnlicher fort: »Das Wort alternativlos beschreibt oft nicht den Zustand selbst, sondern ist nur Ausdruck mangelnder Phantasie der Beteiligten.«
»Ja, Ann, vermutlich hast du recht. Phantasielos und mutlos. So kommen mir die Vorschläge vor, die hier gemacht werden. Aber …«
Sie stand so sehr unter Strom, dass sie ihn nicht ausreden lassen konnte.
»Weller in ihrer Nähe ist ein Anfang. Aber der Täter wird versuchen, sie zu trennen. Lucy mit dem Geld losschicken oder sonst was, und Schacht auf jeden Fall woandershin. Weller kann nicht an drei Orten gleichzeitig sein. Dann hat der Mörder Zeit, sich das nächste Opfer vorzunehmen.«
»Vielleicht schnappen wir ihn bei der Geldübergabe.«
»Ohne dass die Familie mitspielt? Ubbo, wie stellst du dir das vor?«
Er stöhnte. »Verflucht, was soll ich denn machen?«
Er fühlte sich alt und überfordert, als sie sagte: »Wir müssen die Handlungsführung zurückgewinnen, Ubbo. Darum geht es!«
Nach dem Gespräch mit Ubbo informierte sie Weller darüber, dass es sich bei der angeschwemmten Leiche vermutlich um Wolfgang Müller handelte.
Ein Graureiher schritt auf dem Feld an Ann Kathrin vorbei, als hätte er vor, einen Storch zu imitieren. In seinem langen Pinzettenschnabel trug er einen Beutefisch.
»Es ist zwar sehr viel für Gundula Müller, aber ich fürchte, es wird sich nicht anders machen lassen. Begleite sie, damit sie die Leiche identifiziert.«
»Zwei ihrer Kinder sind entführt worden …«
»Ja. Die Familie hat im Moment nicht gerade eine Glückssträhne. Aber weißt du, was meine größte Angst ist?«
»Nein, Ann.«
Sie schwieg und Weller hakte nach: »Nun sag schon. Was ist denn los?«
Sie schluckte. »Kannst du mit Sicherheit sagen, wo Schacht die ganze Zeit war?«
»Nein. Du meinst, dass er …? Ich würde es ihm zutrauen …«
»Du warst bei der Familie.«
»Ich war bei Frau Müller. Ich war hier, weil das Telefon hier ist, weil …«
»Du hattest also nicht die ganze Nacht die Tür im Auge?«
»Nein, ich lag oben im Bett.«
Der Graureiher hielt zwar gebührend Abstand, Ann Kathrin hatte aber das Gefühl, er würde sie spöttisch beobachten.
»Was hast du da gemacht? Erzähl mir jetzt nicht, du hättest geschlafen.«
»Nein, ich habe … Hansjörg Martin gelesen.«
»Hast du keine Tür gehört? Weißt du, wann er rausgegangen ist? Wann er wiedergekommen ist?«
»Ann, mach’s mir nicht so schwer, verdammt! Ich bin hier und gebe mich als Onkel aus. Es geht um einen Entführungsfall. Ich kontrolliere die doch nicht, ob sie die Wohnung verlassen oder nicht …«
Der Graureiher floh vor einem Schwarm frecher Raben. Sie bildeten jetzt genau dort, wo vorher der Reiher gestanden hatte, einen Kreis, als würden sie in der Mitte etwas belauern oder bewachen.
»Siehst du, genau das macht mir Sorge. Das sieht später in den Akten nicht gerade gut aus, wenn du Hansjörg Martin gelesen hast, während die sich gegenseitig umbringen.«
»Aber wir wissen doch gar nicht, ob Schacht es war, Herrgott nochmal!«
»Nein, das stimmt, Frank. Wenn er es nicht war, dann ist er möglicherweise sogar der Nächste. Und irgendjemand knöpft sich die ganze Familie vor. Erst die Kinder, dann die Eltern.«
»Du meinst, irgend so ein wahnsinniger Racheakt?«
Sie antwortete nicht, sondern drückte das Handy gegen ihre Wange und rieb sich daran, als sei es Frank Weller persönlich.
»Küss mich«, flüsterte sie. »Küss mich, Frank.«
Er wusste nicht, ob jetzt wieder alle mithörten oder nicht. Er hoffte, dass dieser Moment privat bleiben würde. Sicher war er sich aber nicht.
Er küsste das Handy.
»Ich habe eine Scheißangst«, sagte sie. »Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, uns läuft alles aus dem Ruder und wir werden der Sache nicht Herr. Du musst Gundula Müller überreden, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Erst mal werde ich sie überreden, mit mir zur Pathologie zu fahren, um die Leiche zu identifizieren. Aber was mache ich, wenn in der Zwischenzeit der Entführer hier anruft?«
»Egal, was
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