Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
mit Püppi, doch seine gesamte Aufmerksamkeit galt Ann Kathrin. Er stierte wie hypnotisiert in ihre Richtung.
»Ja, du hast recht. Das würde ich auf der Stelle. Liebesdiener. Lustsklave. Ich würde ihr, verflucht nochmal, jeden Wunsch erfüllen und alles tun, was sie von mir verlangt.«
»Na, das hast du ja auch.«
Jetzt blickte er sie verdattert an.
»Meinst du, sie hat etwas gemerkt?«
Wieder machte Püppi ihn nach: »Meinst du, sie hat etwas gemerkt? Ist die Nordsee nass? Ist der nächste Papst ein Mann? Natürlich hat sie etwas gemerkt! Und sie hat es voll ausgenutzt, dieses Luder, so sehr, wie sie dich jetzt an der Leine hat. Das ist unser Fall, und du lässt ihn dir einfach wegnehmen …«
Rotz lief aus Bennes Nase und bildete eine Blase. Er bemerkte es nicht.
»Ich wollte das echt nicht. Ich bin so ein Idiot! Und ich dachte, das läuft alles ganz easy. Und plötzlich … Das ist alles meine Schuld … Ich … Sie hatte mir von ihrer kranken Tante erzählt und von der Lebensversicherung und dem Geld, auf das sie alle scharf sind. Dieser Schacht spekulierte sowieso nur drauf, sich das alles unter den Nagel zu reißen. Und Lucy hat mir erzählt, wie sehr sie ihre Alten hasste, und …«
Er konnte vor Weinen nicht weitersprechen.
»Und dann hast du dir gedacht, im Grunde ist es doch in Ordnung? Fast schon eine gute Tat?«
Ann Kathrin hielt ihm ein Taschentuch hin, und er schnäuzte sich. Dann sagte er:
»Ja. Nein. Also, fast … Ach, was weiß ich!«
»Und wer hat die Babys, Benne?«
Jetzt sah er Ann Kathrin aus verheulten Augen an. »Lucy glaubt, dass Schachts Freundin sie hat.«
Er ließ das Eis einfach fallen, als hätte er vergessen, es in der Hand zu halten. Klebrige weiße und braune Spritzer trafen seine Schuhe und seine Hosenbeine.
»Wird«, fragte er, »Lucy überleben?«
Rupert hatte sich in den Kopf gesetzt, diesmal schneller und besser zu sein als Ann Kathrin Klaasen und erst recht als diese BKA-Truppe. Der Fall war groß genug, um aus einem unterbezahlten Kripomann wie ihm über Nacht einen gefragten Ermittler und Buchautor zu machen.
Er stellte sich vor, wie er Interviews gab. Er betrachtete sich im Spiegel. Er fand, er hatte ein fernsehtaugliches Gesicht. Er würde in jeder Talkshow eine gute Figur abgeben.
Vielleicht sollte er sich ein neues Sakko kaufen … Er wollte locker wirken. Frauen standen auf lockere Typen, besonders wenn sie berühmt waren.
Er wollte aus diesem Fall ein Buch machen. In letzter Zeit kamen immer mehr richtige Ermittler ins Fernsehen, die über reale Fälle schrieben und den trutschigen Kriminalschriftstellern das Publikum wegnahmen.
Rupert sah sich schon auf Platz eins der ›Spiegel‹-Bestenliste. Er musste dieses Scheißbuch nur vorher noch schnell schreiben und, ach ja, den Fall lösen müsste er natürlich auch.
Er hatte zu Hause auf dem Wohnzimmertisch die Fotos der Hauptverdächtigen ausgelegt. Frau Professor Dr. Hildegard. Dr. Ollenhauer. Der Architekt Nils Renken.
Zwischen den Bildern standen zwei Dosen Bier. Eine leere und eine volle. Manchmal brauchte er das: Bier aus der Dose. Es hatte so etwas Männliches, fand er.
Hinter ihm betrat Beate den Raum. Sie sah anders aus als sonst. Er nahm es irritiert wahr. Ihr Blick hatte etwas Verstörendes, und das sanftmütige Lächeln um ihre Lippen war ihm in dieser Art fremd. Bestimmt hatte sie wieder irgend so einen Film gesehen oder ein Frauenbuch über Männer gelesen und glaubte jetzt, ihn zu durchschauen, dachte er. Aber trotzdem, etwas war anders. Grundsätzlicher.
»Ich werde«, kündigte er großspurig an und zeigte auf die Bilder, »all diese Verdächtigen nach dem neunstufigen Verhörmodell von Inbau, Reid und Buckley vernehmen. Das ist eine Methode beim FBI. Unsere Leute kommen mit ihrem beschränkten Horizont nämlich nicht mehr weiter.«
Beate zeigte sich beeindruckt und musterte ihn, als würde sie sich wirklich für seine Arbeit interessieren, was ihn sehr verwirrte.
Er kam sich ein bisschen vor wie ein Rind beim Schlachter. So kannte er seine Frau gar nicht.
»Das ist Dr. Ollenhauer«, sagte er. »Das da Frau Professor Dr. Hildegard.«
»Das machst du bestimmt ganz hervorragend …«, orakelte Beate.
»Ich … ähm … ich tu hier nur meinen Job, Beate. Ich darf mich von Äußerlichkeiten dabei nicht ablenken lassen. Obwohl ich dir natürlich recht gebe. Sie ist wirklich attraktiv …« Er relativierte seine Aussage sofort: »Also, ich meine, für Männer, die
Weitere Kostenlose Bücher