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Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Schon manches Mal war es ihm so gelungen, die Dramatik aus einer Situation zu nehmen.
    »Nun, ich dachte, wir machen hier ein Picknick. Das Gras ist so grün, die Kühe sehen so glücklich aus. Vielleicht sollten wir eine Runde spazieren gehen, bevor wir weiterfahren.«
    Sie fletschte die Zähne und keifte: »Jemand hat meine Kinder gestohlen und meinen Exmann umgebracht und Sie, was tun Sie?«
    »Ich bin an der ganzen Sache unschuldig«, stellte Weller klar. »Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.«
    Ihre Energie schien sich zu wandeln. Seine Worte erreichten ihr Gehirn.
    Sein Handy spielte eine Zeile aus dem Lied »Piraten ahoi, hisst die Flaggen, setzt die Segel« . Dann ein paar Töne einer Tin Whistle.
    »Das ist mein Handy und ich werde jetzt rangehen«, sagte er. Dann griff er ganz langsam, um keine missverständliche Geste zu machen, in seine Jackentasche, fischte mit zwei Fingern sein Handy hervor, hielt es ans Ohr und meldete sich mit: »Weller«.
    Wie immer hatte er sein Gerät viel zu laut eingestellt, so dass alle, die in der Nähe waren, mithören konnten. Rupert nervte das schon lange. Ann Kathrin lächelte darüber, doch für Frau Müller wurde es jetzt zur Katastrophe.
    »Hallo, Frank. Hier Ubbo. Schacht und Lucy hatten einen schweren Verkehrsunfall auf der A 31. Der Wagen ist explodiert. Schacht ist tot. Von der Kleinen weiß ich noch nichts Genaueres. Sie wurde mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Versuch, es der Frau schonend beizubringen. Sie hat schon genug mitgemacht.«
    Die Magensäfte schossen mit Hochdruck aus Gundula Müller heraus. Die säuerliche Flüssigkeit traf Wellers Gesicht, Hemd, Jackett und den Fahrersitz.
    Er blieb ganz ruhig, so als sei das gerade gar nicht geschehen. Er wischte sich auch keine Spritzer aus dem Gesicht. Er wusste glasklar, dass dies der Moment war, in dem Gundula Müller ihm die Wahrheit sagen würde. Jetzt oder nie.
    »Danke für den Hinweis, Ubbo«, sagte er. »Ich glaube, sie weiß es schon.«
    Dann drückte er seinen Chef weg, ließ das Handy in die Tasche gleiten und öffnete das Handschuhfach, in dem sich eine Rolle weiches, dreilagiges Toilettenpapier befand. Er riss ein paar Blatt davon ab und hielt sie Frau Müller hin. Dann nahm er selbst einen Streifen und wischte damit Erbrochenes von seinem Ärmel.
    Schweigend begannen sie gemeinsam, erst sich selbst und dann den Wagen zu säubern. Es war wie eine meditative Handlung.
    Sie hatte auch noch Erfrischungstücher in ihrer Handtasche und riss zwei davon auf. Komischerweise hatte Weller das Gefühl, dadurch würde der Gestank nur schlimmer.
    Es waren nur ein paar Minuten, doch für Weller eine gefühlte halbe Stunde vergangen, als Gundula Müller ihn fragte: »Meine Tochter lebt?«
    Weller nickte. »Ja, sonst hätte man sie vermutlich nicht mit dem Hubschrauber in eine Klinik gebracht. Wollen Sie zu ihr? Ich kann herausfinden, wo sie …«
    Zu seiner Verblüffung schüttelte Gundula Müller den Kopf. »Nein. Bringen Sie mich erst in die Pathologie.«
    »Das ist jetzt nicht Ihr Ernst.«
    »Doch. Bringen wir es hinter uns. Ich werde alles tun, was Sie brauchen, um diese Geschichte aufzuklären. Ich will wissen, wer meine Familie zerstört. Und wer unbedingt will, dass mein Leben den Bach runtergeht.«
    Sie sah hoch, als könnte sie durch die Autodecke in den Himmel schauen und fragte: »Warum bestrafst du mich so sehr, Gott? Was habe ich, verdammt nochmal, verbrochen?«

    Weller wusste, dass Menschen, die vom plötzlichen Tod eines Angehörigen erfuhren, manchmal merkwürdige Reaktionen zeigten. Er konnte sich an eine Frau erinnern, deren Mann ermordet worden war, während sie mit dem Mittagessen auf ihn wartete. Als Weller ihr die Botschaft überbrachte, lud sie ihn zu einem Rheinischen Sauerbraten ein und begründete es damit: »Wäre doch schade, wenn wir alles wegschmeißen würden, und ich kann jetzt sowieso nichts mehr essen.«
    Gundula Müller bewegte sich geräuschlos neben Weller, als sie die Pathologie in der Taubenstraße betraten. Sie hatte während der restlichen Fahrtzeit nicht ein einziges Mal über den Tod von Thomas Schacht oder über ihre Tochter gesprochen. Sie schien das Ganze völlig auszublenden. Weller vermutete, dass es einfach zu viel für sie war und sie deswegen versuchte, die Dinge hintereinander zu lösen, weil alle auf einmal sie wegspülen würden.
    Weller hätte Frau Professor Dr. Hildegard fast nicht erkannt. Von ihrer schönen, glatten Haut war nichts mehr zu

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