Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
kamen, drückte er seine Zigarette verschämt in den Sand. Eine Fehlschaltung im Gehirn sagte ihm, die kämen, weil er gerade gegen das Versprechen verstieß, das er seiner Frau vor der OP hoch und heilig gegeben hatte: Er wollte, würde er das alles überleben, mit dem Rauchen aufhören.
Die Krankenhaustür öffnete sich automatisch mit einem Fauchen. Schwindelhausen schüttelte sich wie ein nasser Pudel und kämmte sich mit den Fingern die tropfnassen Haare. Adrenalinprall, wie er war, kam seine Antwort mit der Energie eines Faustschlags:
»Wir sind nicht Ihretwegen hier, Frau Müller.«
Der Satz fuhr dem Raucher in den Magen. Zum Glück fuhr Schwindelhausen dann fort: »Wir wollen zu Ihrer Tochter.«
Wellers Handy spielte ›Piraten Ahoi‹ und bevor er es aus der Jacke gefischt hatte, wies Schwindelhausen ihn zurecht: »Stellen Sie wenigstens im Dienst diesen kindischen Mickymaus-Klingelton ab! Das ist ja peinlich, ist das ja!«
»Das ist kein Mickymaus-Klingelton!«, verteidigte Weller sich. »Das ist der Song ›Piraten Ahoi‹ von Bettina Göschl. Das ist eine erfolgreiche Kinderliedermacherin aus Ostfriesland. Die ist hier sehr beliebt …«
»Halten Sie die Schnauze!«, brüllte Schwindelhausen.
»Wir sind hier so einen Ton nicht gewöhnt«, sagte Weller sachlich.
»Ich habe gesagt, Sie sollen die Schnauze halten!«
»Wissen Sie«, stellte Weller klar, »es gibt so Appelle, die gehen immer schief. Zum Beispiel, wenn jemand auf einem Schiff oder im Flugzeug ruft: Keine Panik! Dann passiert garantiert das Gegenteil.«
»Ich gebe Ihnen jetzt hiermit den dienstlichen Befehl …«
Weller lächelte überlegen. »Ich fürchte, Sie können mir gar keinen dienstlichen Befehl geben. Ich arbeite nicht in Ihrer Behörde, ich bin beim Land angestellt.«
Schwindelhausen ballte die Faust. »Das wird ein Nachspiel haben, Sie Pfeife!«
Weller nickte. »Klar. Ich bekomme schon richtig Schiss. Ich verstehe Sie doch richtig: Es wird ein disziplinarrechtliches Problem für mich geben, weil ich den falschen Klingelton auf meinem Handy habe, ja?«
Frau Müller ließ die Männer stehen und stürmte an ihnen vorbei zum Pförtner. Sie fragte nach ihrer Tochter. Er schickte sie hoch zur Intensivstation.
Die Feuerwehrleute löschten die letzten glimmenden Reste des ausgebrannten Fahrzeugs. Schaulustige Urlauber und Lkw-Fahrer standen in Dreierreihen in einem großen Kreis mit gebührendem Abstand um sie herum.
Ein paar Kinder klatschten Beifall, und ein Fünfjähriger fasste den Entschluss, doch nicht Indianerhäuptling zu werden, sondern lieber Feuerwehrhauptmann.
Püppi und Brocken staunten. Ann Kathrin Klaasen, die als Verhörspezialistin galt und angeblich auch einen leeren Kasten Bier zum Reden bringen konnte oder eine Holzpuppe, kaufte für Benne ein Eis am Stiel mit Schokoladenkern. Sie selbst aß eins aus der Waffel. Erdbeer-Nuss.
Der junge Mann saß zusammengesunken auf der Bank in der Sonne, und sein Eis schmolz. Schokolade tropfte an seinen Fingern runter, und er hatte beschmierte Lippen wie ein Vierjähriger mit einem Nutellabrot.
Die angebliche Verhörspezialistin stellte gar keine Fragen. Sie ließ ihn einfach reden. Sie schrieb nicht mit. Sie hatte kein Diktiergerät eingeschaltet. Sie schleckte nur in Ruhe ihr Eis und hörte zu.
Püppi deutete Brocken an, dass der Alte ausflippen würde, wenn er mitkriegte, dass hier nichts richtig dokumentiert wurde.
Brocken und Püppi hielten sich auf Bitte von Ann Kathrin abseits auf. Sie hatte es damit begründet, die beiden könnten durch ihre massive Anwesenheit den Jungen einschüchtern. Sie hätte selbst einen Sohn in dem Alter und wisse, wie man mit den Kids umgehen müsse.
Brocken hätte diesen Benne nur zu gerne ausgequetscht, aber Ann Kathrins toughes Auftreten hatte ihn verunsichert. Irgendwie war er Frauen gegenüber, die ihn an seine Mutter erinnerten, wehrlos.
Püppi wurde richtig eifersüchtig. Spitz zischte sie: »Verdammt, was ist los mit dir?« Dann äffte sie ihn nach: »Ja, Frau Kommissarin! Natürlich, Frau Kollegin! Wenn Sie es wünschen, sofort, Frau Klaasen!«
Er sagte nichts zu seiner Verteidigung, sondern glotzte nur zu Ann Kathrin und dem Jungen.
Püppi schimpfte weiter: »Tolle Qualifikation! Sie hat auch einen Sohn! Was bist du nur für ein Waschlappen!«
Er nickte, ohne Püppi anzusehen. »Ja, das bin ich.«
»Am liebsten würdest du vor ihr auf die Knie gehen und dich zu ihrem Liebesdiener machen lassen!«
Er redete zwar
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