Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
der beiden Frauen kamen.
Jetzt war es ganz klar: die Luftverhältnisse machten ihn fertig.
Ubbo Heide hatte die Augen tief in den Höhlen liegen, und Rupert fand, dass so ein Wetter einfach nicht nach Ostfriesland gehörte. Das sollte doch, verdammt nochmal, dahin zurück, wo es hingehörte: in die Berge.
Ann Kathrin und Sylvia Hoppe sahen frisch aus, als würde es den beiden Frauen nichts ausmachen. Lediglich die Männer wirkten gestresst und irgendwie fertig. Vielleicht, dachte Rupert, schminken Frauen sich einfach nur besser als wir, oder sie vertragen so ein Scheißwetter eben.
Für Rupert war diese ganze Sitzung hier sowieso Zeitverschwendung. Er wollte sich diesen Architekten aus Delmenhorst vorknöpfen.
Ubbo Heide fasste die Ermittlungsergebnisse zusammen: »Wenn nichts mehr sicher ist«, sagte er, »ist auch alles möglich.«
»Boah, wenn ich solche Sprüche höre«, brummte Rupert und versuchte, unterm Tisch mit der Hand in der Hosentasche den Sitz seines Slips zu verändern. Das Gummi schnitt ihm ins Fleisch.
Ann Kathrin trank Leitungswasser, Sylvia Hoppe Mineralwasser aus einer PET-Flasche.
»Als die Babys entführt wurden, brach das gesamte Familien-Patchworksystem zusammen. Alle Konflikte, die bis dahin unterm Teppich gehalten wurden, brachen vollständig auf und spitzten sich zu«, sagte Ann Kathrin.
Sylvia Hoppe gab ihr recht: »Ja, da kann ich dir aus Erfahrung nur zustimmen. In so einer krisenhaften Situation werden die Leichen im Keller lebendig, und der Hexentanz beginnt.«
Ann Kathrin nickte ihr komplizenhaft zu. Wenn zwei Frauen sich gegenseitig die Bälle so zuspielten, hatte Rupert immer das Gefühl, am Ende der Dumme zu sein. Er fragte sich, worauf das hier hinauslaufen sollte.
»Ja«, sagte Ann Kathrin, »das wäre vielleicht eine ganz normale Familie gewesen, mit allen Problemen, die Familien heutzutage eben haben. Aber dann wurden die Kinder entführt und …«
»Ganz normale Familien!«, spottete Rupert. »Probleme, wie Familien sie eben haben! Der neue Typ erschlägt den Ex! Die Tochter erpresst die Mutter und …«
Ubbo Heide deutete Rupert mit der Hand an, er möge sich mäßigen.
Ann Kathrin nahm das dankbar zur Kenntnis.
Weller reckte sich, als er das Wort ergriff. »Wenn wir davon ausgehen, dass Frau Müller ihre Babys kaum selbst entführt hat, dann spitzt sich alles auf die Freundin von Herrn Müller zu. Diese …« Er sah auf seine Notizen, »Angela Riemann.«
Ubbo Heide sah aus, als hätte er den Namen gerade zum ersten Mal gehört.
Weller ergänzte: »Sie ist jedenfalls flüchtig.«
Damit nahm er aus Ann Kathrins Sicht eindeutig für Gundula Müller Partei. Er hatte eine ziemliche Nähe zu ihr, und Ann Kathrin empfand bohrende Eifersucht. Aber auch sie hielt Frau Müller in der ganzen Sache für vollkommen unschuldig. Wenn es ein wirkliches Opfer gab, dann war sie es.
Ubbo Heide schlug vor, Frau Riemann zur Fahndung auszuschreiben, aber Ann Kathrin sah nicht begeistert aus.
»Ich glaube, dass die Entführung nicht aus dem Familienumfeld kommt. Jemand«, sagte sie, »hat es auf Zwillinge abgesehen. Und wer immer es ist, er hat nicht vor, sie zurückzugeben, sondern …«
Ubbo Heide stöhnte. »Jetzt komm mir nicht wieder mit den Moorleichen, Ann.«
Er kramte in den Taschen nach Marzipan oder Magentabletten, fand aber nichts.
Ann Kathrin fischte aus ihrer schwarzen Esprit-Handtasche einen Marzipanseehund von ten Cate, legte ihn auf den Tisch und ließ ihn schwungvoll in Richtung Ubbo gleiten.
Niemand reagierte darauf, so als sei es völlig normal, dass man seinem Chef mit einem Marzipanseehund die schlechten Nachrichten versüßte.
Rupert schlug mit der Faust auf den Tisch. »Greifen wir sie uns, Ann Kathrin! Diesen Ollenhauer, diesen Renken und diese Frau Professor Dr. Hildegard. Ich trau denen alles zu! Alles! Weißt du, wie viel dieser Renken im letzten Jahr gemacht hat?«
Ann Kathrin schüttelte nicht mal den Kopf. Sie sah Rupert nur fragend an.
»Siebzehn Komma sechs Millionen.«
Ann Kathrin sah sehr nachdenklich aus, so als brauche sie eine Weile, um Ruperts Satz zu verstehen. Dann sagte sie: »Das schürt vielleicht deinen Sozialneid, Rupert, macht aber aus Herrn Renken noch keinen Mörder oder Entführer.«
Rupert empfand das als Angriff gegen sich. Er federte vom Stuhl hoch, holte zu einer großen Geste aus, wusste dann aber nicht, was er sagen konnte, um seiner Wut Luft zu machen. Er stand doch in dieser Frage voll auf ihrer Seite. Warum
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