Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
wohl innere Werte gehabt haben, oder worauf fahren Frauen sonst noch so ab, Frau Klaasen? Sein ansprechendes Äußeres kann es kaum gewesen sein. Er hatte eine Kneipe in Dortmund, mit der er in die Insolvenz gegangen ist. Er hat gut zweihunderttausend Miese auf dem Konto und ist wegen seiner diversen Krankheiten zu fünfzig Prozent schwerbehindert. Trotzdem hat die Gute ihn geheiratet, ist dann aber eines Tages mit dem Messer auf ihn losgegangen. Die Ehe wurde geschieden, und siehe da, sie verliebte sich schon kurze Zeit später in unseren türkischen Mitbürger Rasim Özgül.«
Auch von ihm hatte Scherer gleich ein Foto auf dem iPad.
»Sie scheint Männer zu mögen, wie sie in billigen Filmen gern als Bösewicht besetzt werden. Als erfolgloser Bösewicht, wie ich hinzufügen möchte. Auch Özgül hatte drei Kinder, um die sie sich gleich rührend bemühte. Nach der Scheidung gab es einen langen Streit ums Sorgerecht. Er hat es übrigens bekommen. Sie wollte nicht die Männer, wenn Sie mich fragen, sondern die Kinder. So war das bei Wolfgang Müller auch. Ich kann mir das so richtig vorstellen.«
Scherer spielte es vor. Er glaubte, er sei unheimlich gut, aber für Ann Kathrin war das alles nur peinlichstes Schmierentheater.
»Sie lernt einen Mann kennen, der ihr erzählt, dass er eine große Tochter hat und seine Frau jetzt wieder von ihm schwanger ist, aber sie mit einem anderen Typen zusammenlebt. Er will seine Kinder zurück, und er braucht eine Frau dafür, weil er das Sorgerecht sonst sowieso nicht bekommt. Jedes Jugendamt lässt die Kinder lieber in einer Familie als bei einem alleinstehenden Vater, der für seine Alkoholexzesse bekannt ist.
Die beiden basteln sich ganz schnell einen Plan. Nun müssen sie nur noch beweisen, dass die Kinder von ihm sind. Sie werden nämlich juristisch immer dem Ehepartner zugerechnet und nicht einem Außenstehenden.«
Ann Kathrin musste sich eingestehen, dass sie Scherers Worte schlüssig fand. Sie ärgerte sich nur darüber, dass er sie vortrug, und das machte es ihr schwer, den Gedanken zuzustimmen.
Er stand jetzt und führte geradezu ein kleines Tänzchen auf, während er ununterbrochen redete.
»Riemann entführt die Kinder, während er in Holland einkaufen geht. Das reicht wohl aus, um ein paar ostfriesische Deppen zu leimen, denken die beiden sich.« Scherer grinste. »Sie versorgt die Kinder hervorragend und will mit ihnen nur einen Gentest machen, damit sie Wolfgang Müller dann zugeschrieben werden. Dann läuft die ganze Sache aus dem Ruder, es gibt einen irrsinnigen Polizeieinsatz, und die Tochter Lucy lässt sich von ihrem Freund dazu breitschlagen, ihre Eltern zu erpressen, und Schacht erschlägt ihren Freund. Ende der Geschichte. Jetzt hat sie die Kinder und weiß nicht, wie sie sie loswerden soll.«
Ann Kathrin räusperte sich. Es hielt sie kaum auf dem Stuhl.
»Warum haben wir diese Informationen über Frau Riemann nicht?«
»Es gibt zig Presseartikel darüber. Man kann das alles googeln. Der Scheiß-Datenschutz zählt nur zwischen Behörden und Ämtern bei offiziellen Anfragen. Im Internet steht alles jedem frei zur Verfügung. Die Riemann hat irgendeiner dämlichen Frauenzeitung sogar ein Interview gegeben. Das Märchen von der bösen Stiefmutter. Ersatzmütter immer noch Mütter zweiter Klasse , oder so ähnlich.«
Ann Kathrin staunte nur.
Scherer sah sie an und grinste: »Ich dachte, Sie lesen solche Schmonzetten beim Friseur, Frau Klaasen. Kann ganz hilfreich sein.«
Ann Kathrin sah, dass Ubbo Heide Schweißperlen auf der Nase und am Hals hatte, und das, obwohl es hier zehn Grad kühler war als in seinem Büro. Sie selbst hatte das Gefühl, seit Scherer mit seiner Rede begonnen hatte, sei die Zimmertemperatur nochmal um ein paar Grad gefallen.
Sie fröstelte. Sie rieb sich die Oberarme.
»So.« Scherer sah auf die Uhr. »In zwei Stunden bringen Sie mir Frau Riemann und die Kinder. Dann kann ich dem Innenminister melden, dass wir die Kuh vom Eis haben …«
»Und wenn nicht?«, fragte Ubbo Heide.
»Dann benennen Sie mir Ihr Bauernopfer, oder ich werde es selbst tun.«
Er machte eine Geste, die den beiden bedeuten sollte, dass sie jetzt zu gehen hätten. »Die Zeit läuft. Worauf warten Sie noch?«
Noch im Hinausgehen sagte Ann Kathrin: »Ich hab ihn immer für ein Arschloch gehalten, aber ich wusste nicht, dass er so ein Riesenarschloch ist.«
»Das habe ich gehört, Frau Klaasen!«, rief Scherer.
Sie ging durch den Flur und zeigte ihm
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