Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
dass ich aufräume. Einer von euch hat Mist gebaut. Wir sollten uns darauf einigen, wer. Und den dann …«
Er sprach nicht weiter, sondern betrachtete seine Fingernägel und überließ Ubbo Heide die Schlussfolgerung.
»Ein Bauernopfer?«, fragte Ubbo.
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat das System versagt oder eine einzelne Person. Wenn wir einen präsentieren, der seine Arbeit nicht richtig gemacht hat, dann ist noch ein zweiter dran, der den nicht richtig kontrolliert hat, und das war’s. Im anderen Fall allerdings …«
Wieder sprach er nicht weiter. Er war ein Weltmeister halbfertiger Sätze und schaffte es damit, Untergebene geradezu panisch zu machen. Bei Ubbo Heide und Ann Kathrin Klaasen klappte das aber nicht so reibungslos, wie er es gewohnt war.
»Ich werde doch jetzt hier nicht einen meiner Mitarbeiter über die Klinge springen lassen!«, protestierte Ubbo.
»Bitte, Sie können auch selber springen, Herr Heide«, schlug Scherer vor und glaubte, allein die Tatsache, dass er ihn jetzt wieder siezte, würde ihn schwer erschüttern.
»Ja, früher war das alles ganz anders, Herr Heide. Da hat eine Krähe der anderen kein Auge ausgehackt. Die Behörde hat zusammengehalten, sich nach außen abgeschottet, alles kleingeredet, runtergespielt. Aber so geht das heute nicht mehr. Wir leben in einer offenen, freien Gesellschaft. Da müssen Verantwortliche geradestehen für das, was sie verbockt haben.«
Scherer schlug die Hände zusammen. »Der Innenminister tritt heute Abend vor die Kameras. Ich muss ihn vorher briefen. Wir können natürlich sagen, dass ein Untersuchungsausschuss eingerichtet wird. Das Ganze dauert dann endlos. Wir stehen Wochen, wenn nicht Monate lang unter Beschuss und in der Kritik. Wir können das alles aber auch sofort beenden, indem wir ihnen geben, was sie brauchen: einen Schuldigen. Wir schützen damit uns, unsere Abteilung, ja, die gesamte Kripo und Staatsanwaltschaft Ostfrieslands.«
Ann Kathrin setzte sich anders hin, schlug die Beine übereinander und sagte mit trockener Stimme: »Bitte. Soll doch ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden. Wir haben nichts zu befürchten.«
Scherer tat, als wäre sie gar nicht im Raum. Er sah sie nicht einmal an. Stattdessen sagte er zu Ubbo Heide: »Oder habt ihr irgendwelche vorweisbaren Ergebnisse?«
»Ann Kathrin vermutet«, sagte Ubbo Heide, »dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den toten Zwillingen aus dem Moor und …«
»Ich will von diesem Unsinn nichts hören!«
»Es gibt eine Menge Anhaltspunkte dafür, dass …«
Mit einer Geste schnitt Scherer Ann Kathrin den Satz ab.
»Ja, das entspricht Ihrer Denkweise, Frau Klaasen. Aus diesem kleinen Familiendrama machen Sie jetzt eine monströse Geschichte, weil Sie süchtig danach sind, Serienkiller zu fassen. Aber die sind leider Mangelware, dazu haben Sie ja selber einen großen Beitrag geleistet. Dieser Fall hier liegt doch auf der Hand!«
Er donnerte mit der flachen Hand auf die Tischplatte, tat sich dabei aber offensichtlich weh, was ihn jetzt umso mehr ärgerte. Er versuchte, den Schmerz zu unterdrücken. Es war ihm peinlich.
»Was wissen Sie über Frau Riemann? Nachdem jetzt kaum noch jemand übrig geblieben ist, können die Kinder ja nur noch bei ihr sein. Dieser Lümmel aus Saarbrücken war ja wohl nur ein Trittbrettfahrer.«
»Wir wissen noch nichts über den Aufenthaltsort von Frau Riemann«, gab Ubbo Heide zu, und Scherer las genüsslich vom Bildschirm seines iPads ab, was er an Informationen hatte.
»Ja, und das kommt Ihnen überhaupt nicht weiter verdächtig vor, was? Angela Riemann ist schon als Kind auffällig geworden. Sie hat in Kaufhäusern geklaut. Puppen. Teddybären. Kinderwagen. Das meiste davon noch vor ihrem vierzehnten Lebensjahr.«
»W… w… woher haben Sie das?«, fragte Ann Kathrin. »Diese Dinge werden doch überhaupt nirgendwo in den Akten vermerkt. Das verstößt doch gegen das Jugendschutzgesetz und …«
»Es gibt Quellen für unsereins. Man muss nur versuchen, sie anzuzapfen und zu lesen, Frau Klaasen«, wies Scherer sie zurecht.
»In der Ehe hatte sie wenig Glück. Bei Männern leistet sie sich gern Fehlgriffe, sucht sich ihre Männer offensichtlich nach Zahl der Kinder aus. Sie hat einen Witwer mit vier Kindern geheiratet. Er war zwölf Jahre älter als sie.«
Scherer drehte den Bildschirm um, und Ann Kathrin und Ubbo Heide sahen in das Gesicht eines ausgesprochen hässlichen, stiernackigen Mannes.
»Tja, er muss
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