Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Dr. Hildegard lächelte süffisant. »Frauke hat keinen Mann. Sie ist alleinstehend. Sie hat sich nie wieder richtig gebunden. Keinen Mann und auch keine Kinder. Ein paar flüchtige Affären hatte sie. Mehr nicht. Da reiht sich Ihr Kollege mit ein, aber als moderne Frau darf ich Ihnen sagen, die Reihe ist nicht besonders lang.«
Weller, der Ruperts Angeberei über seine Frauengeschichten nie besonders gemocht hatte, bemühte sich jetzt, sich an jedes noch so kleine Detail zu erinnern, das Rupert ihm erzählt hatte und darin spielten nicht nur ihre sexuellen Vorzüge eine Rolle, sondern auch ihr eifersüchtiger Ehemann.
Rupert ließ sich nicht gern mit alleinstehenden Frauen ein. Die klammerten ihm zu schnell. Auch diese Weisheit hatte Rupert jedem Kollegen inzwischen mehrfach auf die Nase gebunden.
»Nichts ist unkomplizierter als Sex mit einer verheirateten Frau. Die ist meistens sogar ziemlich dankbar und freut sich, wenn hinterher nichts herauskommt.«
Weller wusste eins: Entweder log Frau Dr. Hildegard das Blaue vom Himmel herunter, oder diese Frauke Mannigs hatte sie alle ganz schön an der Nase herumgeführt. Nicht nur Rupert.
Ann Kathrin stand auf und verabschiedete sich, als sei alles geklärt. »Tut uns leid, dass wir Sie um diese Zeit noch gestört haben, Frau Professor, aber uns gefällt diese Arbeitszeit auch nicht besonders.«
»Wollen Sie nicht noch meinen Keller sehen?«, fragte Dr. Hildegard provozierend.
Ann Kathrin schüttelte den Kopf. »Nächstes Mal vielleicht.«
Gemeinsam mit Weller verließ sie das Haus. Kaum vor der Tür fragte Weller, der natürlich ahnte, was Ann Kathrin als nächstes vorhatte: »Wer sagt uns, dass sie nicht zum Telefon greift und ihre Freundin anruft?«
Ann Kathrin lächelte. »Wer sagt uns, dass wir nächsten Monat unser Gehalt auf dem Konto haben? Wir können nicht verhindern, dass sie telefoniert. Es sei denn, wir nehmen sie jetzt fest. Aber wir beide, wir fahren jetzt nach Warsingsfehn, zu dieser Frauke Mannigs.«
Im Auto lachte Weller plötzlich los. »Mit ein bisschen Glück erwischen wir sie und Rupert in flagranti.«
»Ja«, sagte Ann Kathrin, »aber deshalb fahren wir nicht hin. Wenn sie wirklich mit dreizehn Jahren ihr Zwillingspärchen verloren hat, könnte das einiges erklären …«
»Du meinst, sie sucht sie immer noch?«
»Versuche einer, die Abgründe der menschlichen Seele zu verstehen«, sagte Ann Kathrin.
Jetzt kam Weller mit der Sprache raus: »Ubbo sagt, er kann sich an einen Fall Mannigs erinnern. Die Leiche ihres Vaters wurde offenbar aus der Leichenhalle gestohlen. Vielleicht sogar aus dem Grab, das weiß ich nicht mehr so genau. Ubbo hat es mir gerade erzählt. Bisher hat das ja niemand in einen Zusammenhang gesetzt, aber … ihre Mutter starb kurz danach.«
»Und du meinst, wenn wir ihr Grab öffnen, ist das auch leer?«, fragte Ann Kathrin.
Weller wagte gar nicht, die Antwort zu formulieren.
Ann Kathrin gab Gas. »Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass wir die Kinder in Warsingsfehn finden«, sagte sie und spuckte dabei Bläschen gegen die beschlagene Windschutzscheibe.
»Sollen wir ein Sondereinsatzkommando …«
»Nein. Ich habe genug von solchen Sperenzchen. Wir bringen das jetzt zu Ende, Frank. Du und ich. So oder so. Oder willst du mit einem Sondereinsatzkommando ein Haus stürmen, in dem Rupert es gerade mit seiner Geliebten treibt?«
Weller platzte laut los. »Ja, das hätte ja auch mal was für sich. Wenn du mich so fragst, ja, das möchte ich gerne!«
»Ich aber nicht.«
Der Auspuff hörte sich an, als hätte der Motor Keuchhusten. Dann verreckte Ann Kathrins Twingo auf offener Strecke.
Weller stieg aus und schlug mit der Faust aufs Autodach. »Scheißkarre! Soll ich einen Kollegenwagen rufen?«
»Nein, ich schlage vor, du rufst den Pizzaservice an«, sagte sie und begann nun, ihren Twingo zu streicheln und dem Wagen allen Ernstes zu erzählen, Weller habe das nicht so gemeint. Er sei eben nur ein bisschen aufgeregt.
Beate wimmerte vor Angst, als sie sah, wie Frauke aufstand. Die Kugel hatte ihre rechte Schulter durchbohrt.
Frauke war leichenblass und taumelte. Aber sie stand. Ihr rechter Arm hing unnatürlich, wie leblos, herab.
Rupert lag nach wie vor am Boden und rührte sich nicht.
»Ihr verdammten lebendigen Menschen«, zischte Frauke. »Ihr macht nur Mist und alles kaputt. Es hätte so schön sein können. Aber nein, was ihr mit euren Fingern berührt, wird zu Mist. Ich will euch gar nicht mehr als
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