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Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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abriegeln? Mit Tauchern kommen, um das Meer nach einer Leiche zu durchsuchen?«
    Rupert klatschte sich mit der Hand gegen den Kopf. »Lengener Meer! Man sieht schon daran, wie bescheuert die Ostfriesen sind. Sie nennen ihr Meer See und ihre Seen Meere.«
    Als würde ihm das erst jetzt bewusst werden, schüttelte Rupert verständnislos den Kopf.
    »Ich bin nicht gekommen, um mit Ihnen über Geographie zu diskutieren, Herr Kommissar. Ich glaube, dort liegt eine Leiche. Und Taucher wird man kaum brauchen. Das Lengener Meer ist höchstens einen Meter tief. Wenn überhaupt.«
    »Und warum sind Sie dann nicht einfach ins Wasser gestiegen und haben die Leiche herausgeholt, sofern da eine war – was ich bezweifle.«
    »Weil dort ein Kranichpärchen nistet, und ich wollte die Vögel nicht aufschrecken.«
    Rupert musste so sehr lachen, dass seine Füße von der Schreibtischkante rutschten und auf den Papierkorb knallten. Der fiel um. Rupert zeigte auf Holger Bloem und feixte: »Der war gut! Der war echt gut! Den sollten Sie in Ihrer Witzbeilage veröffentlichen.«
    »Wir haben keine Witzbeilage.«
    »Na, dann gehören Sie wohl auch zu diesen bescheuerten Tierschützern, die für Millionen Steuergelder einen Tunnel unter der Autobahn her bauen, damit die brünstigen Frösche nicht plattgefahren werden.«
    Holger Bloem machte einen Schritt in Richtung Tür. Dann blieb er aber noch einmal stehen, sah Rupert an und fragte: »Hat Ihnen eigentlich schon mal jemand gesagt, Herr Kommissar, dass Sie ein unglaublich analytischer Kopf sind?«
    Rupert setzte sich anders hin. Sollten sich etwa seine geheimen Träume erfüllen, und endlich würde mal etwas Positives über ihn in der Zeitung stehen?
    Er fuhr sich über die Haare, als sollte er gleich fotografiert werden und müsste nur rasch seine Frisur noch in Form bringen.
    »Ja, äh … wie?«
    »Ich habe gefragt, ob Ihnen noch nie jemand gesagt hat, was für ein guter Polizist Sie sind. Wie wichtig Sie für Ostfriesland sind. Dass wir noch mehr solch klarer analytischer Köpfe wie Sie ganz dringend bräuchten.«
    »Nein«, sagte Rupert verunsichert, »das hat noch nie jemand zu mir gesagt.«
    »Hm. Und wissen Sie was? Ich befürchte, das wird auch so bald nicht passieren.«
    Rupert brauchte einen Moment zu lange, um zu begreifen, dass Holger Bloem ihm gerade ganz schön einen eingeschenkt hatte.
    Bloem war schon im Flur, aber Rupert lief ihm hinterher, riss die Tür auf und schrie: »Glauben Sie ja nicht, dass Sie mit solchen Frechheiten bei mir durchkommen! Nun kommen Sie schon wieder rein! Sie benehmen sich ja wie eine beleidigte Pastorentochter!«

    So hatte Ann Kathrin Klaasen ihre Mutter noch nie gesehen. Sie wusste, dass die Frau mit den wirren Haaren dort auf der Bettkante ihre Mutter war. Doch etwas in ihr weigerte sich, diesen Gedanken anzunehmen.
    Sie sah sich selbst als kleines Mädchen im Zimmer stehen, mit trotzig verschränkten Armen, den Kopf schräg, stampfte sie wütend mit dem Fuß auf und protestierte: Nein, das will ich nicht! Das kann nicht wahr sein!
    Ich darf mich jetzt nicht von dem kleinen Kind beherrschen lassen, das ich einmal war, dachte sie. Ich bin eine erwachsene Frau. Hauptkommissarin in Aurich. Ich habe einen fast erwachsenen Sohn, einen bescheuerten Exmann und jetzt eine Mutter, die dringend Hilfe braucht.
    Ihre eigenen Ermahnungen brachten sie in die Kompetenz zurück. Trotzdem war das Kind in ihr gerade so lebendig, dass sie es am liebsten aus dem Krankenzimmer geführt hätte. Das hier war nichts für Kinder, sondern eine Aufgabe für Erwachsene.
    Ihre Mutter hielt sich mit einer Hand an der Stange fest, an der eine Infusion hing. Sie suchte etwas. Ihre Blicke irrten durch den Raum. Sie wirkte verloren, wie aus der Welt gefallen.
    »Suchst du etwas, Mama?«
    Ann Kathrin ahnte, was die Mutter vorhatte. Helga glitt aus dem Bett, ignorierte die Schuhe, obwohl sie mit dem linken Fuß dagegen stieß, und bewegte sich auf die Tür zu. Sie schwankte nach links.
    Ann Kathrin befürchtete, ihre Mutter könnte stürzen. Sofort war sie bei ihr und hielt sie fest.
    »Mama? Willst du zur Toilette?«
    Jetzt sahen die beiden Frauen sich an, und Ann Kathrin schossen augenblicklich die Tränen in die Augen, denn sie verstand: Meine Mutter erkennt mich nicht. Sie fragt sich gerade, wer ich bin.
    Offensichtlich wollte ihre Mutter etwas sagen. Sie öffnete den Mund. Zwischen ihren Lippen zog der Speichel Fäden. Aber dann kamen keine Worte, sondern nur ein Lallen und

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