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Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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lächelte und fragte: »Sammeln Sie Treuepunkte?«
    »Nein, danke. Ich bin auch so treu.«
    Sie kicherten. Harmlose Frauen beim Einkauf.
    Die Dame mit den Tiefkühlpizzen fragte: »Kann ich dann Ihre Punkte bekommen?«
    »Ja, gerne. Warum nicht?«
    Sie verließ den Supermarkt und schob den Einkaufswagen zu ihrem Auto. Als sie alles eingeladen hatte, begegnete sie der Frau, die die Dampfnudeln so gern mit Kruste aß und sie Dampferl nannte, noch einmal. Sie parkten fast nebeneinander.
    »Wenn ich Ihnen ein Tipp geben darf … Ich würde an Ihrer Stelle nicht dieses Puddingpulver verwenden. Ich meine, wenn Sie sich schon die Mühe machen, richtig selbst zu kochen, dann würde ich auch Vanilleschote nehmen und …« Sie hielt sich die Hand vor den Mund, als hätte sie etwas Unanständiges gesagt. Sie errötete sogar.
    »Bitte verzeihen Sie. Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht zu nahe getreten. Ich muss so etwas gerade sagen. Bei mir muss immer alles husch-husch gehen. Ich koche schon lange nicht mehr. Ich mache nur noch etwas Fertiges heiß. Ich komme mir schon toll vor, wenn ich dazu den Herd benutze und nicht die Mikrowelle …«
    Als sie im Auto saß, hätte sie vor Wut schreien können. Was bildete diese doofe Kuh sich ein?! Am liebsten hätte sie ihren Audi gerammt.
    Sie krampfte die Hände ums Lenkrad und unterdrückte die aufwallende Wut. Sie wusste, was nach diesem heiligen Zorn kam, wenn sie nicht mehr in der Lage war, wütend auf die anderen zu sein. Dann verfiel sie in Trauer und Selbstvorwürfe.
    Was dachte diese Frau von ihr? Sie muss mich für eine schlechte Hausfrau und Mutter halten, für eine, die Puddingpulver benutzt, statt sich Mühe zu geben und für ihre Familie alles liebevoll selbst zuzubereiten.
    Sie hätte heulen können, und sie schämte sich. Sie wollte zurück nach Warsingsfehn. Dort konnte sie schon mal gar keine Babykost einkaufen. Da kannte sie fast jeder.
    Wenn sie so war wie jetzt, dann musste sie nach Norden, Norddeich oder Greetsiel. Dann brauchte sie die Nähe des Meeres. Selbst, wenn sie es nicht sah, sie wusste doch, dass es da war, ganz nah. Wirklich wohl fühlte sie sich nur nahe am Deich, so der Wechsel der Gezeiten ihr sagte, dass sie in Ordnung war mit ihrem ewigen Hin und Her. Das Meer kümmerte sich nicht um die Meinung der Leute. Es machte sich nicht abhängig von ihnen. Es kam, wann immer es wollte, und es zog sich wieder zurück, wenn ihm danach war.
    Auf dem Deich fühlte sie sich frei, verstanden und gehalten. In der Moorlandschaft aber zu Hause und irgendwie auch gefangen und niedergedrückt.
    Bevor sie über die B 72 nach Warsingsfehn zurückfuhr, hielt sie auf der Störtebeker-Straße noch einmal an und lief zum Deich. Noch einmal das Meer sehen. Noch einmal den Wind auf der Haut spüren und wissen: Du bist okay, so wie du bist. Und alles wird gut.

    Lucy nahm den Telefonanruf entgegen. Sie hatte die Fingernägel an ihrer rechten Hand abgekaut, und der Zeigefinger war bereits blutig. Ihre Haut brannte, und die Akne in ihrem Gesicht blühte auf. Sie fand, dass sie schrecklich aussah. So konnte sie unmöglich zurück zu Benne.
    Sie saß zusammengekauert auf ihrem Bett und drückte sich mit dem Rücken in die Ecke, um so viel Schutz wie möglich nach beiden Seiten zu haben. Ihr Gesicht war der Tür zugewandt.
    Der Rausch wich einem Kater. Sie fühlte sich elend, als würde eine schwere Grippe nahen. Ihre Hände zitterten, und sie bekam sie nur ruhig, wenn sie an den Nägeln kaute.
    Und dann war da diese Stimme am Telefon. Sie klang verzerrt, als würde jemand mit vollem Mund sprechen. Lucy hätte nicht einmal sagen können, ob ein Mann oder eine Frau am Telefon war. Es hörte sich hysterisch an, und ganz offensichtlich verstellte der Anrufer auch bewusst seine Stimme.
    »Ich will Zweihunderttausend. Wenn ihr die Polizei einschaltet, seht ihr Tina nie wieder. Besorgt das Geld in kleinen, nicht nummerierten Scheinen. Versucht nicht, mich reinzulegen!«
    Das Gespräch wurde mit einem Klick beendet.
    Lucy wusste sofort, dass sie nicht verarscht wurde. Das hier war echt.
    Es kam Lucy so vor, als hätte jemand durch einen alten Telefonhörer gesprochen und den jetzt auf die Gabel gelegt. Vielleicht erinnerte die Situation sie aber auch nur an einen alten Film, den sie vor zwei Jahren im Nachtprogramm der ARD als Wiederholung gesehen hatte. Er spielte in einer Zeit, als es noch keine Computer gab und Google auch noch nicht existierte. Die Telefonapparate waren groß, unhandlich,

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