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Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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hatten Drehscheiben und waren mit langen Schnüren an der Wand fest verdrahtet.
    In diesem Film rauchten ständig alle, und man trank dazu Whisky aus großen Wassergläsern. Die Frauen trugen Röcke und hochtoupierte Frisuren, die Männer Krawatten.
    Irgendwie kam ihr die Stimme vor, als sei sie aus dieser Zeit. Überhaupt war die ganze Situation nicht echt, sondern wie im Film.
    Es fiel ihr schwer, aufzustehen und die paar Schritte bis zur Tür zu gehen. Es war, als würden Gewichte an ihr hängen, und sie brauchte einen großen Kraftaufwand, um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Als sie die Tür erreichte, stützte sie sich am Balken ab, atmete tief durch und öffnete dann die Tür.
    Ihre Mutter puderte gerade Inas wunden Hintern und legte ihr eine neue Windel an. Die verschmutzte lag dampfend und stinkend auf dem Tisch.
    »Der Entführer hat angerufen«, sagte Lucy. Sie wunderte sich über ihre Stimme. Sie hörte sich erstaunlich sanft, ja einschmeichelnd an. Sie hatte damit gerechnet, kratzig zu klingen, grippig und leicht genervt.
    Gundula Müller sah hoch und musterte ihre Tochter. Mit der rechten Hand hielt sie beide Füße von Ina angehoben. Sie stellte die hellblaue Penaten-Puderdose ab.
    »Das ist nicht witzig, Lucy.«
    »Das ist auch kein Scherz, Mama.«
    Sie hielt ihr Handy zwischen zwei Fingern und trug es vor sich her, als sei es mit gefährlichen Bakterien verseucht und sie hätte Angst, sich anzustecken.
    »Er will zweihunderttausend Euro, und er hat gesagt, wenn wir die Polizei rufen, bringt er Tina um.«
    Gundula setzte sich. »Das sagst du jetzt nicht nur, um mir Angst zu machen?«
    »Nein, Mama, das ist echt.«
    Gundula sah sich im Raum um, als wüsste sie gar nicht, wo sie sich befand.
    Lucy legte das Telefon neben die schmutzige Windel auf den Tisch. Inas Füße ragten immer noch hoch in die Luft, obwohl sie nicht mehr von Gundula gehalten wurden. Das Kind wedelte fröhlich mit den Armen, erleichtert, die volle Windel los zu sein, und brabbelte einige Wohlfühllaute.
    Gundula sah aus, als könne sie jeden Moment ohnmächtig zusammenbrechen.
    Lucy verspürte einen Widerwillen, ihre Mutter anzufassen. Es war, als gebe es eine Trennungslinie im Raum. Unsichtbar, aber doch für jeden vorhanden. Der Windelduft setzte eine klare Marke. Je näher sie ihrer Mutter kam, umso intensiver wehte der Geruch nach frisch verdautem Spinatbrei mit Hühnchen herüber.
    »Ein Glas Wasser«, sagte Gundula und ließ ihre Hand schlaff auf die Tischkante fallen. Sie rutschte herunter wie ein weggeworfenes nasses Tuch und patschte auf ihre Oberschenkel.
    Obwohl die Flasche mit St.-Ansgari-Mineralwasser näher stand, ging Lucy zum Spülbecken und ließ für ihre Mutter ein Glas mit Leitungswasser volllaufen. Später, als sie darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass ihre Mutter in solchen Situationen immer Leitungswasser getrunken hatte, nie etwas anderes. Wenn sie eine Tablette nehmen musste, ihr schlecht oder schwindlig wurde – ein Glas Leitungswasser war immer zur Stelle. Nie hätte sie sich abends mit einem Glas Leitungswasser und einer Schüssel Erdnüsse vor den Fernseher gesetzt, nein, dann musste es Mineralwasser sein. Nur bei medizinischen Problemen oder in Schocksituationen kam die Heilung für Gundula aus dem Wasserhahn.
    Dies war der Augenblick, in dem Lucy bewusst wurde, wie viel man in der Kindheit von den Eltern übernimmt, egal, ob man sie mag oder nicht. Bestimmte Dinge hat man einfach drauf, zum Beispiel der Mutter jetzt Leitungswasser anzubieten und nichts anderes.
    Gundula trank gierig. Sie verschluckte sich. Ein kleiner Bach lief aus ihrem Mundwinkel und tropfte auf ihren Hals. Trotzdem trank sie weiter. Dann musste sie husten, und Wasser sprühte aus ihrem Mund über den Tisch. Ein paar Tropfen trafen den nackten Bauch von Ina, die gut gelaunt quiekte.
    Als Gundula ihre Atmung wieder unter Kontrolle hatte und der Schwindel nachließ, sagte sie nur ein einziges Wort: »Thomas!«
    Sie sprach den Namen aus, als sei er der Erlöser höchstpersönlich und käme heute auf die Erde zurück, um die Menschheit zu erretten.
    Obwohl es durch die Art, wie sie den Namen aussprach, kaum noch möglich war, tat Lucy trotzdem, als hätte sie es falsch verstanden.
    »Du meinst, Thomas hat Tina? Versucht der nur, uns abzukochen?«
    Sie erntete dafür von ihrer Mutter einen vernichtenden Blick.

    Die Situation hier im Büro war zwar nicht sonderlich romantisch, und statt eines Glases Champagner hielt Weller nur

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