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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Wand stehen, Herr Kommissar, nicht diese Irren.«
    »Sie scheinen ja eine Menge Verständnis für diese Gotteskinder zu haben«, polterte Huberkran.
    Weller fragte sich, ob er es riskieren könnte, seinen neuen Chef hier zur Mäßigung zu ermahnen.
    »Wir beschäftigen uns seit Jahren zwangsweise mit diesem Müll. Wir haben ihre Zeitschriften im Briefkasten. Sie pflastern uns mit E-Mails zu und … «
    Frau Gaiser stockte. Sie biss sich in den Handrücken und wendete sich ab. Ihr Sohn war sofort bei ihr und nahm sie in den Arm. Dann drehte sie sich wieder zu Weller um und flehte: »Bitte, tun Sie etwas, meine Herren. Bringen Sie mir meinen Mann zurück. Lebend.«
    »Nach allem, was wir bisher wissen, sind Sie der letzte Mensch, der Ihren Vater lebend gesehen hat«, sagte Weller zu Lennart Gaiser.
    Der stutzte und antwortete dann mit einem leicht überheblichen Zug um den Mund: »Nein, Herr Kommissar. Das war sicherlich diese Frau Schillinger, der wir den Videofilm verdanken. Es sei denn, Sie gehen davon aus, dass mein Vater auf diesen Aufnahmen tot ist.«
    »Nein«, gab Weller zu, »gehen wir nicht. Aber Sie sind auf jeden Fall der Letzte, der mit Ihrem Vater geredet hat.«
    »Wir haben Tee getrunken. Er wollte zum Fischen an die Ems. Aber das habe ich schon dreimal erzählt.«
    »Mir noch nicht.«
    »Mein Vater liebte das Fischen. Er mag die großen Räuber, die herauskommen, wenn das Gewässer sich dreht.«
    Er hatte sein Kinn zurückgezogen und die Stirn vorgeschoben. Sein Blick hatte dadurch etwas Verschämtes an sich, fand Weller.
    Wieder begann er den Kommissaren etwas zu erklären: »Bei
Tidehub verändert sich in den Küstengewässern die Fließrichtung des Wassers. Dann steht die Chance auf Zander und Hecht gut.«
    Wenn er mir gleich erläutert, was Tidehub ist, schreie ich, dachte Weller, sagte aber nichts, sondern ließ sein Gegenüber reden, wie er es von Ann Kathrin gelernt hatte.
    »Gucken Sie nicht so, Herr Kommissar. Ich weiß genau, was Sie jetzt denken.«
    »So, was denke ich denn?«
    »Sie fragen sich, ob das legal war. Ob mein Vater einen gültigen Fischereischein hat und ob der Hecht nicht vielleicht noch Schonzeit hat. Ich kann Sie beruhigen. Die Schonzeit ist vorbei und ja, er hat einen gültigen Jahresfischereischein.«
    Da Lennart Gaiser Huberkran total ignorierte, sprach Weller ihn an: »Hast du daran gedacht? Ich jedenfalls nicht.«
    »Mich interessiert das einen Scheiß, aber ich wüsste gerne, wo Sie genau waren, als Ihr Vater entführt wurde. Laut Frau Schillinger um siebzehn Uhr vierzehn.«
    Frau Gaiser fragte beleidigt: »Warum wollen Sie das von meinem Sohn wissen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Wie können Sie so geschmacklos sein?!«
    Lennart Gaiser sagte betont würdevoll zu seiner Mutter: »Die Herren würden lieber mich einsperren als einen aus dem Verein der Gotteskinder. Die wollen sich die Finger nicht schmutzig machen, der Verein hat Gönner ganz oben! Es ist bequemer, uns zu beschuldigen.«
    »Mein Sohn war um siebzehn Uhr vierzehn hier bei mir. Ich kann Ihnen sogar die Tasse zeigen, aus der er Tee getrunken hat.«
    »Ein Zeuge wäre mir lieber«, konterte Huberkran.
    »Unser Hausmädchen wird das gerne bezeugen, und ich denke, unser Gärtner auch. Reicht das?«
    Huberkran nickte missmutig. Er hatte das Wortgefecht so gut wie verloren.
    Frau Gaiser holte zum finalen Degenstoß aus: »Und wo war Herr Henn um diese Zeit? Ach, ich vergaß, Sie hatten bestimmt noch keine Zeit, sich darum zu kümmern, so überlastet, wie Sie sind, weil Sie ja meinen Sohn alles dreifach fragen müssen.«
     

Ann Kathrin Klaasen hatte das Haus im Gallierweg eine Weile beobachtet. Sie ging im Sommerregen spazieren. Ganz gegen ihre Gewohnheit trug sie einen Schirm. Sie brauchte ihn als Schutz, um nicht zu früh erkannt zu werden.
    Es waren alte Villen. Ein wunderschöner Baumbestand. Eine ruhige, friedliche Wohngegend, trotzdem nicht weit vom Bahnhof, der Innenstadt oder der Autobahn entfernt.
    Stenger hatte sich eine grundsolide Ausgangsposition geschaffen. Von hier aus war man schnell in Frankfurt, Mainz oder Darmstadt. Niemand würde hier das organisierte Verbrechen vermuten.
    Irgendwo spielte jemand Klavier. Ann Kathrin kannte das Stück nicht, aber sie stellte sich eine junge Frau an einem weißen Flügel vor.
    Die Sicht auf Stengers Jugendstilvilla wurde von scheinbar wild wuchernden Büschen und Bäumen fast unmöglich gemacht. Er könnte im Garten stehen, dachte Ann

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