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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Kathrin, ich würde ihn nicht sehen.
    Hier waren die Fenster nicht staubbedeckt wie in Gelsenkirchen. Hier waren sie streifenfrei geputzt, aber dafür gab es dichte, lange Gardinen. Hinter einer bewegte sich jemand, aber sie konnte nicht einmal ausmachen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Ein Eichhörnchen lief über die Straße und huschte am Baum hoch.
    Jetzt erkannte Ann Kathrin das Klavierstück. Es war Chopin.
    Mit der Linken hielt sie den Schirm, mit der Rechten dirigierte sie die Musik. Dann ging sie zur Biebricher Allee zurück
und nahm sich ein Taxi zum Schwarzen Bock. Sie fand dieses Hotel angemessen, um von hier aus mit Stenger in Kontakt zu treten. Sie wollte von ihm als vermögende Frau ernst genommen werden, da konnte sie schlecht aus dem IBIS oder einer kleinen Frühstückspension anrufen. Der Schwarze Bock war eines der ältesten Hotels Deutschlands, verwinkelt gebaut, mit Doppeltüren vor den Zimmern und Thermalwasser für die Badewanne.
    Sie warf sich auf das quietschende Bett. Sie hatte schwere Beine und sehnte sich nach einer von Wellers perfekten Fußmassagen. Sie schloss einen Moment die Augen und stellte sich vor, er würde mit seinem Daumen ihren Herzpunkt an der Fußsohle massieren und dann weiter gehen zur verspannten Schulter- und Nackenmuskulatur. Je öfter sie in den Genuss seiner Reflexzonenmassage gekommen war, umso mehr spürte sie die Berührungen nicht mehr unter dem Fuß, sondern im Körper. Jetzt reichte allein die Vorstellung aus, und es ging ihr besser. Sie hörte plötzlich die Nordsee und den Wind und sie wusste wieder, wo sie hingehörte. Sogar die frechen Silbermöwen vermisste sie jetzt.
    Sie hob sich das Telefon auf den Bauch und wählte Stengers Nummer. Direkt nach dem ersten Klingeln hob jemand ab. Eine Frauenstimme, die deutliche Probleme mit der Aussprache des Buchstabens »R« hatte, meldete sich.
    Ann Kathrin stellte sich als Dr.Sylvia Jansen vor. Sie hatte einen Plan, doch plötzlich wich sie, einer inneren Eingebung folgend, davon ab.
    »Hell Stengel splicht gelade«, radebrechte die Telefonstimme.
    Ann Kathrin stellte sich eine hübsche Chinesin vor, gerade zwanzig geworden, höchstens zweiundzwanzig.
    »Dann bitten Sie ihn, mich zurückzurufen. Ich habe ein Zimmer im Schwarzen Bock. Ich bin nur heute in der Stadt. Meine Telefonnummer ist … «
    »Ich kann Ihle Telefonnummel auf dem Display ablesen.«
    »Na prima. Ich bitte um Rückruf.«
    Ann Kathrin legte auf. Sie war aufgeregt, sie hielt es auf dem Bett nicht aus. Sie stand auf, machte ein paar Schritte in ihrem Verhörgang durchs Zimmer und bekam einen Mordshunger. Für ein Krabbenbrötchen hätte sie jetzt viel gegeben. Sie hatte Lust, sich eins zu bestellen. Immerhin hatte der Bock fünf Sterne, da konnte sie ein frisches Krabbenbrötchen verlangen.
    Sie hörte Weller schon lachen: »Ein Krabbenbrötchen in Süddeutschland, das kann ja nichts werden!«
    Für ihn, den alten Ostfriesen, begann Süddeutschland kurz hinter Münster, und gut essen konnte man seiner Meinung nach nur an der Küste. Egal, ob in Deutschland, Italien oder Frankreich. Paris akzeptierte er auch noch, weil über Paris der Atlantikfisch in die ganze Welt geliefert wurde.
    Noch bevor Ann Kathrin sich für ein Essen entschieden hatte, rief Stenger an. Obwohl sie auf einen Rückruf gehofft hatte, erschrak sie. Sie fuhr sich durch die Haare und räusperte sich. Sie schaltete ihr digitales Diktiergerät ein und hielt es neben den Hörer, dann meldete sie sich burschikos mit: »Moin, moin! Sylvia Jansen.«
    »Ich höre, Sie sind von der Küste, Frau Jansen. Stenger mein Name. Was kann ich für Sie tun?«
    Seine Stimme war weich, fröhlich, sie erinnerte Ann Kathrin an einen Kinderliedersänger, Volker Rosin. Dieser Stimme konnte man leicht vertrauen, sie lud zum Mitmachen ein. Sie fragte sich, ob er Rosin bewusst nachmachte oder woher die Ähnlichkeit kam. Vielleicht hatte er Kinder, die seine Musik hörten, jedenfalls hatte Stengers Rosinstimme sie verunsichert. Sie hatte mit einer härteren, geschäftsmäßigen Stimme gerechnet.
    »Ja. Ich komme aus Wilhelmshaven, habe eine eigene Firma. Im- und Export. Fast zwanzig Millionen Umsatz im Jahr. Umsatz, nicht Gewinn.«
    »Ja«, lachte er, »ich weiß das zu unterscheiden.«
    »So etwas fällt nicht vom Himmel.«
    »Ich weiß«, stimmte er zu. »Erfolg hat seinen Preis.«
    »Nun, in meiner Firma habe ich einen Tipp bekommen. Ein Abteilungsleiter sagte mir, Sie vermitteln Schönheiten aus Asien

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