Ostfriesensünde
seinem Trip herunterzubringen.
Es ist zwischen uns beiden zu einem hässlichen Streit gekommen. Er hat mir vierzehn Tage Zeit gegeben. Ich habe ihn gefragt, willst du mich denn auch hochgehen lassen? Willst du all das beenden, was wir hier haben? Sollen wir wieder in der Polizeiinspektion hinterm Schreibtisch sitzen? Ich habe ihn beschworen, du überlebst das nicht, wenn du dich mit diesen Leuten anlegst … Aber er wollte unbedingt den Helden spielen. Er ist mit Isolde Klocke hierhergefahren, nach Spiekeroog.«
Beukelzoon hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Irgendwie scheint das hier für Sie und Ihren Vater die Schicksalsinsel zu sein, Frau Klaasen. Ich habe noch einen Tag vor dem Überfall mit ihm telefoniert und versucht, ihn zur Vernunft zu bringen. Aber es war völlig klar. Er wollte nach Gelsenkirchen zurückkommen, die Akten holen, und uns damit allen die Schlinge um den Hals legen. Ich habe den Überfall geplant und, das müssen Sie doch zugeben, die Sache war spitzenklasse, oder nicht? Das ist Kriminalgeschichte geworden. Die Geiselnehmer lassen sich in zähen Verhandlungen dazu überreden, die Verletzten mit einem Hubschrauber abholen zu lassen, und dann
fliehen sie selbst in dem Hubschrauber mit der ganzen Kohle. Und natürlich hatten wir auch die Beweismittel Ihres Vaters an Bord.
Als er nach Gelsenkirchen kam und von dem Überfall hörte, wusste er natürlich sofort, worum es ging. Er war ein Fuchs, Frau Klaasen. Eigentlich viel zu intelligent für die Behörde. Er kam sofort zum Tatort. Wir haben ja fast drei Stunden in der Bank festgesessen, bis der Hubschrauber endlich da war. Alles war umzingelt. Die dachten, die haben uns. Und Ihr Vater konnte es natürlich nicht ertragen, dass eine unschuldige Geisel, die auf herzkrank gemacht hat, leiden musste, nur weil er so ein sturer Kerl war. Er ließ sich austauschen, der blöde Hund, und dann hatte ich ihn bei mir.
Er kannte uns natürlich alle. Da nutzten keine Masken. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als zu schießen.«
Während Beukelzoon sprach, ging von der Mitte ihres Körpers ein Zittern aus, das jetzt den ganzen Körper erfasst hatte.
»Sie zittern.«
»Ja.«
»Haben Sie Angst vor dem Tod?«
Sie beantwortete seine Frage nicht. Stattdessen fragte sie zurück: »Und als ich Frau Klocke bei Dr.Wolter getroffen habe und das Foto von ihrer Tochter Isolde mit meinem Vater sah … «
Er setzte sich anders hin und schmunzelte. »Ich habe Frau Klocke nicht umgebracht, Frau Klaasen. Ich hatte keine Ahnung von ihrem Tod. Frau Klocke war mir egal. Nach allem, was ich weiß, wird sie vermutlich vor lauter Aufregung gestorben sein, weil Sie so einen Wirbel gemacht haben. Na ja, da ging es ihr ja wie einigen anderen Leuten auch. Nur musste ich bei denen nachhelfen … «
Ann Kathrin fragte sich, ob er die Wahrheit sagte oder ob er sie einfach nur verletzen wollte. War das sein Ziel? Sie endgültig
zu zerstören? Seelisch, moralisch und schließlich auch physisch?«
Sie schoss einfach die nächste Frage ab: »Und Isolde Klocke? Geht die auch auf Ihr Konto?«
Er schabte sich mit dem Handrücken übers Kinn, verzog das Gesicht und drückte ungeniert einen Furz ab. »Ich habe nie an ihren Tod geglaubt. Aber sie hat ihn super inszeniert. Ich habe die Botschaft wohl verstanden. Sie wollte verschwinden und im Gegensatz zu Ihrem Vater uns keine Schwierigkeiten mehr machen. Sie ist nie wieder irgendwo aufgetaucht. Offen gestanden hatte ich sie aus meinem Gedächtnis gestrichen. Erst durch Sie ist alles wieder aktiviert worden.«
»Sie denken, sie hat ihren Tod nur vorgetäuscht?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ja, vermutlich. Aber es ist mir auch egal. Mich interessiert die Wahrheit nicht, sondern dass sie sich nicht in meine Geschäfte einmischt. Sie wird sich irgendwo unter falschem Namen verstecken. Vielleicht hat sie einen reichen Kerl gefunden, bei dem es ihr gutgeht, oder sie putzt irgendwo als Zimmermädchen – ach nein, warten Sie. Vielleicht arbeitet sie in einem Schnellrestaurant oder hat einen Imbiss eröffnet. Die konnte gut kochen. Manchmal, wenn wir lange unterwegs waren, hat sie Truthahnsandwiches für uns gemacht.«
Er führte seine Fingerspitzen zu den Lippen und küsste sie. »Köstlich! Ganz köstlich!«
Ansgar schob den Teller von sich weg, sprang vom Stuhl auf und flüchtete hinter seine Mutter. Er spürte instinktiv, dass etwas mit diesem Mann nicht stimmte. Er war gefährlich.
Ansgar berührte den Körper
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