Ostfriesensünde
sich. Es macht mich nervös, wenn Sie so herumlaufen. Außerdem können Sie kaum stehen. Sie wackeln wie ein Besoffener. Ich hasse Betrunkene.«
Sie setzte sich in den Sessel, legte ihr linkes Bein auf den Tisch, zog das rechte an und massierte sich die Waden, ohne Beukelzoon aus den Augen zu verlieren.
»Ihr Vater hatte dort alle Unterlagen deponiert. Ich denke, Sie haben inzwischen einiges über den Mädchen- und Frauenhandel gelernt. Stengers Spezialität waren stumme Frauen. Er hat sie auch über unsere Gelsenkirchener Filiale angeboten. Wir haben sehr schnell spitzgekriegt, dass da das große Geld lag. Ihrem Vater hat es keine Ruhe gelassen, wo all die vielen schönen stummen Frauen herkamen. Und schließlich hat er dann den Ort in Thailand gefunden, wo es geschah. Er hat Filme gemacht, Aussagen gesammelt. Er wollte die ganze Bande hochgehen lassen. Da hingen in Thailand hochrangige Politiker mit drin. Sonst wäre das gar nicht so einfach gelaufen. Auch die deutsche Botschaft hatte die Finger im Spiel.«
»Klar. Kann ich mir vorstellen. Wenn ständig schöne junge Frauen mit einem Touristenvisum ausgestattet werden, das nur eine einzige Adresse hat, nämlich die von Stenger, dann müsste es ja dem Dämlichsten auffallen, dass da etwas nicht stimmt … «
»Sie standen alle auf Stengers Gehaltsliste. Wir hätten ihn und die ganze Bande für viele Jahre ins Gefängnis bringen können.«
»Und warum haben Sie das nicht getan?«
»Ich habe das Material benutzt, um Stenger zu entmachten. Ich wurde zum eigentlichen Chef der Organisation. Stenger war nicht mehr als meine Marionette. Er durfte in bestimmtem Rahmen eigene Geschäfte machen, aber bei mir war am Ersten Zahltag. Mit dem Material von der Klinik aus Thailand hatten wir ihn völlig in der Hand.
Und Käfer natürlich auch. Der war für die juristische Flanke zuständig. Hat alles steuerlich geregelt und dafür gesorgt, dass die Organisation so legal wie möglich operieren konnte.
Im Grunde lief alles super, und ich wollte mit Ihrem Pa halbe-halbe machen. Aber der hatte andere Pläne. Dieser Idiot wollte mit dem Material wirklich zum Staatsanwalt. Er stellte sich einen großen Prozess vor gegen Stenger und zweihundert Franchise-Betriebe. Solche Läden, wie wir einen in Gelsenkirchen geführt haben. Damit die Wahrheit ans Licht kam und der Gerechtigkeit Genüge getan werden konnte, sollte das alles, was wir mühsam aufgebaut hatten, zusammenbrechen. Damit hätten ein paar Hundert Leute und Familien Arbeit und Brot verloren. Ich hoffe, wir verstehen uns richtig, wir sprechen hier über einen Jahresumsatz von vierzig bis fünfzig Millionen. Zunächst haben wir geglaubt, dass Ihr Vater nur damit drohte, um noch mehr für sich herauszuhandeln. Er verlangte von mir die Herausgabe der gesamten Kohle.«
»Ich kann mir das nicht vorstellen. Was wollte mein Vater mit dem ganzen Geld? Wir hatten nicht gerade einen hohen Lebensstandard.«
»Ach Gott, dieser Sozialromantiker wollte doch den Großen Guten spielen und mit dem Geld den Schaden wiedergutmachen. Er lag mir dauernd damit in den Ohren. Es sollte ein Hilfsfonds für die Frauen gegründet werden und er wollte zusätzliche Gelder auftreiben, um den Familien in Thailand zu helfen und eine Rückkehr möglich zu machen oder aber den Familien hier bei der Einreise zu helfen. Ach, Ihr Vater war schon ein Herzchen. Der wäre besser Sozialarbeiter geworden.«
»Da habe ich aber ganz andere Sachen von ihm gehört … «
»Jaja, ich habe das auf den Gelsenkirchener Geschichten auch gelesen. Natürlich hat er sich den ganzen Tag verhalten wie einer von uns. Was sollte er denn sonst tun? Er wäre doch sofort aufgeflogen. Diese Kim 12 soll sich ja nicht beschweren.
Er hat einige Frauen davor gerettet, stumm gemacht zu werden, indem er ihnen empfohlen hat, einfach so zu tun, als ob … «
Beukelzoon tippte sich an die Stirn. »Das konnte ja nicht lange gutgehen. Aber Ihr Vater hatte auch Dreck am Stecken. Also, was der so Dreck nennt. Er war nicht der Engel, der er so gerne gewesen wäre. Er wurde bei den Frauen manchmal schwach und nicht nur bei Isolde Klocke. Ich glaube, eine Weile haben die beiden sogar damit geliebäugelt, ihren Anteil zu nehmen und abzuhauen.
Ich habe von ihm die Herausgabe der verräterischen Unterlagen verlangt. Ich wollte damit nur Stenger im Griff behalten. Ich habe Ihrem Vater sogar versprochen, die Klinik in Thailand zu schließen und die Operationen zu stoppen. Aber er war nicht von
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