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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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seiner Mutter. Er vibrierte vor Anspannung. Das Messer in ihrer Faust zeigte auf den Mann, aber der kam trotzdem näher. Ansgar hatte einmal einen Film mit einem Gespenst gesehen. Das konnte man nicht verletzen.
Selbst ein Schwerthieb tat ihm nichts. Das Schwert glitt durch das Gespenst wie eine Hand durch Wasser. Vielleicht war der Mann genauso. Er hatte etwas von einem Geist, fand Ansgar.
    »Denken Sie nicht einmal daran«, sagte der Mann und deutete auf das Messer. »Legen Sie es auf den Tisch.«
    Britta Kröger stellte sich anders hin. Jetzt verdeckte sie Ansgar mit ihrem Körper.
    »Ansgar, lauf zur Tür. Renn rüber zu Gerrit, sag seiner Mama, sie soll die Polizei rufen. Ein Einbrecher ist in unserer Wohnung.«
    Sie stand breitbeinig zwischen Ansgar und dem Eindringling. Sie würde ihn nicht an sich vorbeilassen. Er sah es ihr an, sie war bereit, ihn mit dem Messer zu töten, mit dem sie gerade Ansgars Spaghetti klein geschnitten hatte. Es war vorne breit und stumpf, kaum zu mehr geeignet, als gekochte Kartoffeln zu zerteilen.
    Er hielt ihr die offene rechte Hand hin: »Geben Sie es mir.«
    Sie griff mit links nach hinten zu Ansgar und dirigierte ihn in Richtung Tür, mit dem Messer stocherte sie in der Luft herum.
    »Ich habe davon gehört«, sagte er mit sanfter Stimme, »Mütter würden zu Löwinnen werden, wenn es um ihre Kinder geht. Ich habe das immer für Unsinn gehalten, aber Sie wären bereit, mich zu töten.«
    Er reckte den Hals vor und schnappte nach ihr wie ein Tier. Seine Zahnreihen knallten aufeinander.
    Sie wich aus. »Jede Mutter würde das tun!«
    Er stellte sich wieder aufrecht hin und strich seine Kleidung glatt. »Irrtum. Die meisten, die ich kennengelernt habe, wollten nichts sehnlicher, als ihre verhasste Brut loswerden.«
    Sie verstand nicht, was er da redete. Er war eine Bedrohung für sie und für ihr Kind, und sie war bereit zu kämpfen. Sie hatte schon vor Jahren einen Selbstverteidigungskurs mitmachen wollen, nachdem ihre Freundin Karla auf dem Heimweg von zwei
Jugendlichen attackiert worden war. Aber es hatte sich dann nie ergeben. Immer fehlte die Zeit oder die Freundin, die eigentlich mitmachen wollte.
    Jetzt hatte sie sich und ihren Jungen in eine günstige Position manövriert. »Lauf, Ansgar!«, schrie sie. »Jetzt!«
    Sie stieß ihn, um ihm Mut zu machen, ein Stückchen in Richtung Tür und sprang selbst, indem sie das Messer durch die Luft sausen ließ, nach vorn. Sie verfehlte nur knapp sein Gesicht. Aber er ergriff nicht die Flucht. Er trat ihr gegen das Schienbein und als sie vor Schmerz aufjaulte, packte er den Stuhl, auf dem Ansgar gerade noch gesessen hatte und schlug ihr die Beine weg.
    Ansgar blieb zögernd im Türrahmen stehen.
    »Lauf!«, keuchte sie, schon am Boden liegend.
    Der Mann bekam ihre Rechte zu fassen und nahm ihr das Messer ab.
    »Bleib hier, Ansgar, du wirst doch deine Mutter jetzt nicht im Stich lassen. Wenn du uns alleine lässt, werde ich ihr sehr, sehr weh tun.«
    Ansgar war ein mutiger Junge. Er pinkelte sich in die Hose, aber er blieb.
    »Was wollen Sie?«, kreischte Ansgars Mutter, als er ihr den Arm umdrehte. »Wer sind Sie?«
    »Kennen Sie die heilige Juliana von Norwich?«
    »Nein, verdammt. Wer ist das? Wir haben Ihnen nichts getan!«
    Er schob sie in eine Position, in der er sie besser unter Kontrolle halten konnte. Dabei stieß er sie hart gegen das Aquarium. Die Futterdose fiel um und rollte über den Boden.
    »Juliana hat sich freiwillig in ihrer Zelle einmauern lassen, um Gott besser dienen zu können. Sie schrieb in ihrer Zelle die sechzehn Offenbarungen der göttlichen Liebe.«
    Er sah Britta Krögers verständnislosen Blick und schrie sie
an: »Sie wurde die erste Schriftstellerin Englands! Ihre Gefangenschaft hat etwas Großes aus ihr gemacht!«
    »Was soll der Scheiß?«, fauchte sie und trat nach ihm.
    »Weil die Menschen so etwas nicht mehr freiwillig tun, mache ich es.«
    »Was?«
    »Ich mauere Frauen ein. Meistens Frauen. Kranke, böse Geschöpfe. Ich gebe ihnen die Chance, zu bereuen und Gottes Gnade zu erfahren. Es geht um Erleuchtung, verstehen Sie? Erleuchtung.«
    Hinter Ansgars Ritterburg lag das silberne Gummischwert und im Badezimmer neben der Wanne seine Super-Soaker-Flash-Flood-Wasserpistole.
    »Ich muss Pipi«, sagte Ansgar und schon war er im Bad.
    »Wenn du nicht zurückkommst, geht es deiner Mama schlecht. Du kommst doch zurück, Ansgar?«
    »Ja. Ich muss nur. Ich mach auch ganz schnell.«
    »Braver Junge.«
    »Was

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