Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
konnte. Das Geschirr war für den dazu da, aufgestapelt in Reih und Glied im Schrank zu stehen. Ich finde, Teller werden erst schön, wenn etwas darauf liegt, das duftet.«
    Henn schluckte trocken. Er schien den Wasserbecher in seiner rechten Hand völlig vergessen zu haben. Die andere Hand lag kraftlos auf seinem Oberschenkel. In der kleinen Wasserlache auf dem Boden zwischen seinen Füßen spiegelte sich das harte Neonlicht von der Decke. Die Lampe zirpte wie ein Insekt.
    Weller nahm ihm den Becher vorsichtig aus der Hand und stellte ihn auf den Tisch.
    »Ich habe nie mit meinem Vater zu Mittag gegessen. Er wollte mich nicht. Er hat meiner Mutter einen Tritt in den Bauch gegeben, als sie schwanger war.«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Er wird unter irgendeiner Brücke im Suff verreckt sein. Falls er nicht Glück hatte und im Knast gerettet wurde.«
    »Wann haben Sie zum letzten Mal eine frische Kutterscholle gegessen?«
    Henn zuckte mit den Schultern. »Vor vierzehn Tagen. Vielleicht drei Wochen. Auf Norderney.«
    »Allein oder zu zweit?«
    »Allein.«
    »Sind Sie viel allein?«
    Er nickte.
    »Aber Sie haben doch so viele Gesinnungsfreunde bei den ›Gotteskindern‹.«
    »Ach, die meisten reden doch nur. Ich bin ein Einzelkämpfer.«
    »Haben Sie gar keinen Freund, der Ihnen hilft, all diese Flugblätter zu verteilen? Die Plakate zu kleben, die Sprühaktionen zu machen? Das können Sie doch nicht wirklich alles alleine machen.«
    »Ist aber so.«
    »Sie decken einen Freund, weil Sie glauben, dass er all diese Morde begangen hat. Das wird Ihnen erst jetzt klar. Sie haben ihm die Namen geliefert, die Adressen. Sie haben ihm wissentlich oder unwissentlich die Ziele vorgegeben. Und er hat dann die Morde allein begangen, ohne Ihr Wissen. War es so?«
    »Er hat ein paar Mal versucht, mich zum Mitmachen zu bewegen.«
    »Und? Haben Sie es gemacht?«
    »Ich hab’s versucht. Zweimal. Aber ich kann so was nicht. Mich regt das zu sehr auf, mich macht das am Ende depressiv.«
    »Wie heißt er? Wie?«
     
    »Wenn Sie mich töten«, sagte Ann Kathrin, »führt der direkte Weg zu Ihnen.«
    »Lassen Sie das mal meine Sorge sein, Frau Klaasen. Als ich
Kind war, gab es den schönen Ausspruch: ›Leichen pflastern seinen Weg.‹ Wir meinten damit einen Lehrer, dem viele Schüler es zu verdanken hatten, sitzengeblieben zu sein. Ich habe wirklich eine Menge Leichen herumliegen lassen, und wie Sie sehen, geht es mir immer noch gut. Ich lebe unter dem ausdrücklichen Schutz der Polizei. Man glaubt, dass Sie Stenger ermordet haben, Frau Klaasen, nicht ich. Man kann bei einer kurzen Internetrecherche feststellen, dass Sie ziemlich nervös sind, wenn es um den Mord an Ihrem Vater geht. Dass Sie bei dem Banküberfall in Leer vor zwei Jahren auf die Reifen vom Notarztwagen geschossen haben, weil Sie wieder einmal glaubten, die Täter wollten mit den Sanitätern fliehen, fand ich köstlich.«
    »Sie ermorden mich auf meinem ureigensten Terrain, Herr Beukelzoon. Meine Kollegen mögen mich. Sie werden viel Energie darauf verwenden, meinen Mörder zu finden. Ich möchte nicht an Ihrer Stelle sein. Da kommen Sie nicht wieder raus.«
    »Ja«, er zog die Gummihandschuhe aus, »vielleicht haben Sie ja recht. Vielleicht sollte ich umdisponieren. Eigentlich wollte ich meine Waffen irgendwo vergraben und dann Urlaub machen und mich an der Unfähigkeit der ostfriesischen Kripo weiden, aber das werde ich nicht tun. Sie haben versucht, Ihren Rachefeldzug auf Spiekeroog zu beenden. Nachdem Sie Käfer ausgeknipst hatten, wollten Sie mich auch töten. Leider war ich schneller. Ich werde selbst die Polizei rufen. Die Beweislage ist ziemlich eindeutig und man wird sehr froh sein, dass ich Ihren Kollegen die Arbeit abgenommen habe. Ich hätte Sie schon in Wiesbaden töten sollen, ich habe Sie einfach viel zu lange gewähren lassen. Käfer war ein Freund, dass wir uns kannten, ist kein Geheimnis.«
    Er ging im Zimmer herum und fasste bewusst Gegenstände an. Den Kühlschrank, die Tischplatte, den Türrahmen.
    Beukelzoon lauschte. Er konnte nur den Wind hören und ein paar Vogelstimmen. Die Leichen waren noch nicht gefunden
worden, sonst gäbe es jetzt Hubschrauberlärm. Draußen herrschte noch immer friedliche Urlaubsidylle. Er hatte also noch Zeit.
    Er holte sich eine Pfanne aus dem Schrank, schaltete eine Herdplatte auf Neun und schlug sich Eier in die Pfanne. Dann kippte er Krabben hinzu.
    »Ich habe nichts zu verbergen. Ich bin gekommen, um mit meinem

Weitere Kostenlose Bücher