Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
Odinga hinter ihm her.
    »Ein andermal«, sagte Weller und winkte ab.
     
    Ann Kathrin spürte, dass der Besuch auf dem Bücherflohmarkt ihr gutgetan hatte. Weller fuhr zurück, und sie blätterte im Bilderbuch von Ulrich Maske und Silke Brix-Henker. Es ließ sie schmunzeln.
    Sie las Weller vor: »Immer, wenn der große Igel nach Hause kam, wollte er den kleinen Igel in den Arm nehmen. Und immer sagte dann der kleine Igel:
›Du bist kratzig.‹«
    »So viel Lebensweisheit in einem Bilderbuch«, sagte Weller und dachte: Woher kennen die Macher uns und unsere Beziehung?
    »Geht es dir mit mir genauso, Frank?«, fragte Ann Kathrin.
    Er wich aus: »Was ist heute Abend mit Otto Groote?«, fragte er. »Gehe ich alleine mit Rita und Peter oder kommst du mit?«
    »Ich bin dabei«, sagte sie und wusste nicht genau, ob sie ihm damit einen Gefallen tat oder sich selber.
    Wenn ich Ann Kathrin Klaasen töte, dachte er, muss Weller auch sterben, der wird sonst nie Ruhe geben – so verliebt, wie der ist. Die größten Probleme machten immer Mütter und Väter, wenn man ihre Kinder umbrachte, aber Ehemänner oder Liebespartner konnten genauso lästig werden. Niemand jagte einen Mörder mit solcher Verbissenheit wie ein emotional mit dem Opfer verbandelter Mensch.
    Ann Kathrin Klaasen war das beste Beispiel. Wie lange schon war sie hinter dem Mörder ihres Vaters her? Solange sie lebte, würde die Akte nie geschlossen werden. Warum konnte sie diese alten Geschichten nicht einfach ruhen lassen und ihr Leben genießen?
    Es gab Spezialisten, die ließen jeden Mord wie einen Unfall aussehen, eine unglückliche Verstrickung von Zufällen. Ein fataler Irrtum. Der eine hatte die falschen Tabletten genommen, der andere das herannahende Fahrzeug übersehen. Und so mancher Raucher erstickte nachts im Schlaf bei einem Schwelbrand.
    Aber er hatte immer auf Schusswaffen gesetzt. Er liebte die Distanz. Nur einmal hatte er ein Messer benutzt, aber er hasste diese Sauerei. Sein silbergrauer Anzug war damals völlig versaut worden. Unrettbar. Selbst seine Unterwäsche hatte er verbrannt. Die Schuhe, sein Uhrenarmband. Einfach alles. Er musste eine Halsschlagader erwischt haben.
    Nie wieder wollte er einem Opfer so nahe kommen. Nie wieder.
    Für das M 40 brauchte er eine erhöhte Schussposition. Ein Dach oder einen Balkon. Er verfluchte dieses flache Ostfriesland, für seine Zwecke war es recht ungeeignet. Keine vernünftigen Hochhäuser, keine Berge. Sollte er etwa vom Deich aus schießen oder von einer Windmühle?
    Beim Flohmarkt hatte er schon mit dem Gedanken gespielt, sie einfach mit der Beretta auszuschalten, aber jetzt war er froh, nicht so einen Aufstand verursacht zu haben. Er hatte sich für das Präzisionsgewehr entschieden. Wenn sie morgens von Norden zur Polizeiinspektion Aurich fuhr, konnte er sie in ihrem grünen Twingo auf der B 210 erwischen. Die Rapsfelder boten ihm Schutz. Bis die Polizei überhaupt gemerkt hätte, dass die Tote im Auto eine Kugel im Kopf hatte, wäre er schon auf seiner Finca auf Mallorca, um bei der Orangenernte zuzusehen.
    Wenn er Glück hatte, fuhr sie mit Weller gemeinsam. Zwei auf einen Streich.
    Die Abendsonne stimmte ihn milde. Er flanierte durch Norden. Er mochte den Neuen Weg. So viele Innenstädte sahen sich inzwischen zum Verwechseln ähnlich. Es gab überall die gleichen Geschäfte, nur ihre Reihenfolge wechselte ab. Die Frage, ob erst McDonald’s kam oder Nordsee oder Starbucks, ödete ihn an. Jede Individualität ging verloren.
    Hier in Norden schlich sich auch bereits die Uniformität ein, aber trotzig behaupteten sich kleine Läden gegen landesweite Ketten. Der kleine Fischladen neben Remmers sollte bitte nie schließen.
    Er setzte sich vor dem Mittelhaus an einen freien Tisch ganz außen und bestellte sich ein Weizen Kristall. Neben dem Mittelhaus wurden die letzten dicken Friesen verkauft. Er konnte nicht widerstehen.
    Es war eine Bratwurst, die beim Essen dazu einlud, die Augen zu schließen und sich ganz den Gaumenfreuden zu überlassen. Die Bratwurst, das Weizenbier und der Westwind stimmten ihn milde. Du hast dir einen schönen Ort zum Leben ausgesucht, Ann Kathrin Klaasen, dachte er. Ich will dir noch eine Chance geben. Aber ich habe dich im Visier. Nur ein falscher Schritt, und die Würmer holen dich.
    Ann Kathrins Hand verschwand in der von Peter Grendel. Wahrscheinlich hätte er ihr mit einem kurzen Druck die Finger brechen können, aber er war sich dessen bewusst und folglich umso

Weitere Kostenlose Bücher